Ex-RAF-Ankläger: "Es gibt keine dunklen Geheimnisse"

Ex-Bundesanwalt Joachim Lampe war vor 30 Jahren RAF-Ankläger. Er sieht keine Versäumnisse bei der Aufklärung des Buback-Mordes.

Tatort nach den Todesschüssen auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback in Karlsruhe Bild: dpa

taz: Herr Lampe, Sie waren als Bundesanwalt Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre mit RAF-Verfahren befasst. Michael Buback, der Sohn des 1977 ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback, will endlich wissen, wer seinen Vater erschossen hat. Können Sie ihm helfen?

Joachim Lampe: Ich verstehe das persönliche Interesse von Herrn Buback sehr gut. Aber die Diskussion, wer der "wirkliche Täter" im Unterschied zum "juristischen Täter" war, die kann ein Staatsanwalt nicht akzeptieren.

Warum nicht?

Wenn ein RAF-Kommando gemeinsam einen Mord plant und ausführt, sind alle, die einen Tatbeitrag geleistet haben, gemeinsam Mittäter. Mörder ist dann nicht nur der Schütze hinten auf dem Motorrad, sondern auch der Fahrer des Motorrads, der Fahrer des Fluchtfahrzeugs und alle, die den Tatort vorher ausgekundschaftet haben.

Knut Folkerts, der 1980 als Buback-Mörder verurteilt worden war, sagte in einem Interview, er sei am Tattag in Holland gewesen

Mag sein, aber das ist eben nicht entscheidend. Er gehörte zum Kommando und hat in dem Interview ja selbst seine Mitverantwortung für die Tat eingeräumt.

Buback fragt sich, warum Sie damals nicht Verena Becker angeklagt haben. Sie wurde vier Wochen nach der Tat gemeinsam mit dem mutmaßlichen Mittäter Günter Sonnenberg verhaftet, hatte die Tatwaffe im Gepäck

Gegen Verena Becker bestand kein dringender Tatverdacht wegen des Buback-Anschlags. Einige Wochen nach der Tat ist die Tatwaffe im Rucksack ihres Begleiters Sonnenberg kein starkes Indiz für eine unmittelbare Tatbeteiligung von Frau Becker.

Einzelne Zeugen haben den Sozius auf dem Tatmotorrad als schmächtige, zierliche Person beschrieben, eventuell eine Frau. Sprach das nicht für Verena Becker?

Nein. Wenn ich auf eine so vage Beschreibung eine Anklage gestützt hätte, wäre der Aufschrei der Presse groß gewesen. Und es gab gegen Frau Becker ja viel handfestere Vorwürfe. Sie hatte bei ihrer Festnahme in Singen im Mai 1977 auf sechs Polizisten geschossen und diese zum Teil lebensgefährlich verletzt. Das war eine Tat, die sich sozusagen vor den Augen der ganzen Stadt abspielte, daran gab es nichts zu rütteln und dafür wurde sie Ende 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Sie wollten also einen kurzen Prozess?

Ich wollte einen schnellen und von der Öffentlichkeit überschaubaren Prozess. Es war ja das zweite Stammheim-Verfahren, und das erste hat sehr lange gedauert. Baader, Ensslin, Meinhof wurden 1972 festgenommen, erst 1975 wurden sie angeklagt, der Prozess dauerte weitere zwei Jahre. Das fanden viele damals unerträglich langsam

Auch das Verfahren gegen Günter Sonnenberg war kurz. Warum haben Sie ihn nicht wegen des Buback-Mordes angeklagt?

Bei ihm ging die Bundesanwaltschaft zwar von einer unmittelbaren Tatbeteiligung aus. Aber bei der Festnahme hatte er einen Kopfschuss erlitten und war nur sehr eingeschränkt verhandlungsfähig. Deshalb wurde er nur wegen der Schießerei bei seiner Verhaftung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt. Dafür erhielt er "lebenslänglich". Das Verfahren wegen des Buback-Mordes wurde eingestellt, weil der Gesundheitszustand Sonnenbergs keine lange Hauptverhandlung erlaubte und auch keine höhere Strafe als die verhängte herausgekommen wäre.

Sie wollten bei Ihren Anklagen also vor allem möglichst schnell ein "lebenslänglich" haben?

Ja. Ich wollte, dass die Strafe der Tat möglichst auf dem Fuße folgt. Das ist der gesetzliche Auftrag.

Hat es in den RAF-Prozessen der 70er- und 80er-Jahre möglicherweise Fehlurteile gegeben?

Nein. Soweit wir bisher wissen, wurde kein Unschuldiger verurteilt. Und es blieb niemand unbestraft, dessen Beteiligung an Anschlägen bekannt war. Es gibt keine dunklen Geheimnisse.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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