Ex-Waffenlobbyist Schreiber: Der falsche Kronzeuge

Nicht alles, was der Ex-Waffenlobbyist Schreiber erzählt, muss stimmen. Schon mehrfach hat er deutlich gemacht, dass er Rufmord für ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung hält.

Was immer Schreiber zu erzählen hat: Die Geschichte der Bundesrepublik wird nicht neu geschrieben. Bild: dpa

Packt er aus? Wird das Land von neuen Skandalen erschüttert werden, ist der Sumpf noch viel tiefer, als das irgendjemand für möglich gehalten hatte? Vielleicht. Man weiß es nicht. Eines weiß man: Wenn Karlheinz Schreiber etwas erzählt, dann muss das nicht stimmen. Er hat schon vieles behauptet, was sich nicht beweisen ließ. Ob aus Rachsucht, aus Geltungsbedürfnis oder weil er sich Vorteile davon versprach, ist ungeklärt. Ungeklärt ist ja sogar in vielen Fällen, ob seine Behauptungen vielleicht doch stimmten.

Daraus ergibt sich ein ungewöhnliches Problem: Es genügt nicht, wenn der Häftling plaudert - jedenfalls nicht für die politische Aufarbeitung der Aktivitäten des Waffenhändlers. Ohne hieb- und stichfeste Beweise sind neue Beschuldigungen, die Schreiber möglicherweise gegen Politiker erhebt, wertlos. Schließlich hat er schon mehrfach deutlich gemacht, dass er Rufmord für ein legitimes Mittel der Auseinandersetzung hält.

1. Warum wurde Schreiber erst jetzt ausgeliefert?

Gegen Schreiber bestand schon seit 1997 ein deutscher Haftbefehl. Aus der Schweiz flüchtete er 1999 nach Kanada. Deutschland verlangte umgehend seine Auslieferung, doch Schreiber wehrte sich vor Gericht. Erst im Mai 2004 entschied ein kanadisches Bezirksgericht, dass Schreiber nach Deutschland ausgeliefert werden kann.

Im Oktober 2004 ordnete der damalige kanadische Justizminister Schreibers Ausweisung an. Gegen beides klagte Schreiber bis zum Obersten Gerichtshof Kanadas, der erst im Oktober 2007 das letzte Rechtsmittel Schreibers ablehnte. Nun spielte Schreiber einen politischen Trumpf. Er gab an, dass er den ehemaligen kanadischen Premierminister Mulroney im Zusammenhang mit einem Flugzeug-Geschäft bestochen habe. Da er nun einem Untersuchungsausschuss als Zeuge zur Verfügung stehen musste, konnte Schreiber weitere eineinhalb Jahre in Kanada bleiben. Letzte Woche endete der Untersuchungsausschuss.

2. Hat das Auslieferungsverfahren auch aus Rücksicht auf CDU-Kreise so lange gedauert?

Dafür ist bisher nichts ersichtlich. Das Verfahren in Kanada dauerte wohl eher deshalb so lange, weil Schreiber auch kanadischer Staatsbürger war und sich immer als von der deutschen Justiz politisch Verfolgter darstellte. Für das völkerrechtliche Auslieferungsverfahren waren im Übrigen während der ganzen Zeit SPD-Justizministerinnen zuständig, zunächst Herta Däubler-Gmelin, später Brigitte Zypries. Bei beiden ist übertriebene Rücksichtnahme auf CDU-Interessen nicht naheliegend. Zypries hatte erst letzte Woche eine schnelle Auslieferung angemahnt. Der Bundestag hat 2005 sogar in einer "Lex Schreiber" das Verjährungsrecht geändert. Danach ruht die Verjährung einer Straftat auch dann, wenn der Beschuldigte ins Ausland geflohen ist und ein Auslieferungsverfahren läuft.

3. Warum beginnt der Prozess in Augsburg erst nach der Bundestagswahl?

Da Schreiber alle Bestechungs-Vorwürfe bestreitet, ist ein aufwendiger Indizienprozess mit langer Beweisaufnahme erforderlich. Die Augsburger Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass der Prozess ein Jahr dauern könnte. So ein Mammutprozess kann nicht sofort starten, auch wenn die Anklage gegen Schreiber von der Staatsanwaltschaft bereits im März 2000 erstellt und vom Augsburger Landgericht im August 2000 zugelassen wurde. Sowohl die Richter als auch die Verteidiger Schreibers müssen sich erst in die umfangreichen Akten einlesen, Zeugen müssen ausgewählt und geladen werden. Es wäre deshalb eher ungewöhnlich und damit politisch verdächtig gewesen, wenn der Prozess noch vor der Bundestagswahl am 27. September begonnen hätte.

4. Könnte sich Schreiber am Ende mit einem Deal retten?

Wer aufwendige Prozesse durch ein Geständnis abkürzt, kann mit einer milderen Strafe rechnen. Solche Absprachen im Strafprozess sind schon lange zulässig und seit kurzem auch gesetzlich geregelt. Bisher zeigt Schreiber jedoch keinerlei Geständnisbereitschaft. Eher könnte er von der neuen Kronzeugenregelung profitieren, wenn er seine Drohungen wahr macht und bei der Aufklärung anderer Straftaten hilft. Die meisten Vorgänge, von denen er Kenntnis hat, dürften allerdings längst verjährt sein.

CR

Der ehemalige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur CDU-Spendenaffäre Volker Neumann glaubt, dass Schreiber noch manches zu berichten hätte: "Wir haben ihn ja in Kanada vernehmen dürfen", sagte der SPD-Politiker. "Dabei hat er ganz überraschend Einzelheiten über Parteispenden an die CSU dargelegt, die aber nicht nachweisbar waren. In diesem Zusammenhang könnte natürlich noch etwas herauskommen." Könnte. Wenn es denn nachweisbar ist.

Die Anklage lautet auf millionenschwere Steuerhinterziehung, Betrug und Bestechung - Vorwürfe, die der inhaftierte Schreiber über seinen Anwalt pauschal bestreiten ließ. Dass ihm das beim Prozess helfen wird, darf bezweifelt werden. Manches lässt sich ganz einfach nicht bestreiten. Immerhin ist der ehemalige Verteidigungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls rechtskräftig dafür verurteilt worden, dass er von Schreiber 3,8 Millionen Mark Schmiergelder angenommen und nicht versteuert hat.

Das ist zwar strafrechtlich relevant, in der politischen Auseinandersetzung aber nur noch von historischem Interesse. Die meisten Akteure von damals sind nicht länger in Amt und Würden. Bundeskanzlerin Angela Merkel war nie in die Spendenaffäre verstrickt. Sie kann sogar im Gegenteil für sich beanspruchen, den Bruch mit der Vergangenheit in einem harten Schnitt vollzogen zu haben. Wie sollen die Gegner der Union unter diesen Umständen aus der Affäre von einst Munition für heute gewinnen? Zumal Schreiber eben nicht gerade ein Mann ist, auf den man bauen sollte. Der SPD-Abgeordnete Peter Danckert hat seine Partei eindringlich davor gewarnt, Schreiber zum "Kronzeugen" der Sozialdemokraten zu machen. Dabei gibt es gute Gründe, auch heute noch alle Details der Spendenaffäre brennend gerne wissen zu wollen - jedenfalls wenn man sich in der Politik nicht nur für Personen, sondern auch für Strukturen interessiert.

Nach wie vor ist nicht vollständig geklärt, wie es dazu kommen konnte, dass in Deutschland Zustände herrschten wie in einer Bananenrepublik. Und: Ist wirklich alles dafür getan worden, dass sich so etwas nie wiederholen kann? Je mehr sich über die dunklen Kanäle in Erfahrung bringen lässt, die damals benutzt wurden, desto besser lassen sich Gesetzeslücken schließen. Mit Wahlkampf hätte das nichts zu tun. Aber das öffentliche Augenmerk hat sich längst anderen Themen zugewandt, und ohnehin ist das kollektive Gedächtnis der Gesellschaft kurz und ungenau. Die Rolle von Helmut Kohl in der CDU-Parteispendenaffäre ist im allgemeinen Bewusstsein inzwischen auf die Tatsache geschrumpft, dass er sich - als Mann von Ehre - weigert, die Namen einiger Großspender zu nennen, denen er Anonymität zugesichert hatte. Das halten viele für eine lässliche Sünde.

Seit 2005 ist Kohl Ehrenbürger seiner Heimatstadt Ludwigshafen. In diesem Jahr erhielt er den "Hanns Martin Schleyer-Preis", der für "Verdienste um die Festigung und Förderung der Grundlagen eines freiheitlichen Gemeinwesens" verliehen wird. Dass ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss 2002 festgestellt hat, die Regierung Kohl sei korrupt gewesen, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Der ehemalige Kanzler ist wieder ein allseits geachteter Mann. Das schwache Gedächtnis der Allgemeinheit hat sich für ihn als Segen erwiesen.

Andere hatten weniger Glück. Bis heute gilt Wolfgang Schäuble als einer von denen, die tief in die Spendenaffäre verstrickt gewesen sind. Davon kann keine Rede sein. Er hat keine schwarzen Konten angelegt, ihm wird keine Steuerhinterziehung vorgeworfen, auch keine Bestechlichkeit. Was er getan hat: Er nahm unter - bis heute nicht ganz geklärten Umständen - eine legale Spende von Schreiber an und reichte sie an die Schatzmeisterin seiner Partei weiter. Zum Verhängnis wurde ihm, dass er im Bundestag die Spende verschwiegen hat. Das reichte für seinen Rücktritt.

Wenn ein Vorgang einmal zu den Akten gelegt und mit einem historischen Etikett versehen ist, dann können noch so überraschende Enthüllungen das festgefügte Bild nicht mehr verändern. Die Geschichte der Bundesrepublik wird nicht neu geschrieben werden. Was immer Schreiber zu erzählen hat.

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