Existenzkampf der Sechtagerennen: Party auf Prüfstand

Die Sechstagerennen kämpfen in Deutschland ums Überleben – in Bremen zuletzt mit Erfolg. In Berlin will man am Freitag den positiven Trend fortsetzen.

Blick von den vollen Zuschauerrängen auf die Holzbahn und die Radprofis in der Bremer Arena

In Bremen kamen die Radsportfans auf ihre Kosten Foto: Ralf Lieske

Lange haben die Radsportfans den Moment herbeigesehnt, an dem die Profis auf dem Oval in der Bremer Stadthalle wieder ihre Runden drehen. So verwundert es kaum, dass das Interesse an dem Spektakel aus Party und Profisport enorm war. Davon zeugten zeitweise vollbesetzte Ränge rund um die nur 166,6 Meter lange, mobile Bremer Holzbahn. Zudem zogen die Showevents in den Rennpausen wie eh und je Massen an Partyvolk an.

Die bedeutende Zahl, von der die Zukunft der Bremer Sixdays maßgeblich abhängt, lautet 60.000. So viele Besucher hat sich die Wirtschaftssenatorin der Hansestadt, Kristina Vogt, gewünscht, damit die sogenannte fünfte Bremer Jahreszeit eine Überlebenschance hat.

Die Stadtgemeinde hat bei der privat und öffentlich betriebenen Rad-Party mitzureden. Ihr gehört beispielsweise die Bahn, die in der rennfreien Zeit eingelagert wird. Obwohl die Auswertungen zu den Besucherzahlen noch laufen, zeichnet sich ab, dass dieses Mal der Wunsch aufging. Dass dieses Event vom 12. bis 15. Januar wieder ausgetragen werden konnte, ist nicht selbstverständlich. War da doch die bleierne Pandemiezeit, die praktisch jede Veranstaltung vereitelte.

Im vergangenen Jahr waren wirtschaftliche Bedenken der Grund für den Ausfall. Heute beurteilt der neue Leiter des Events, Mario Roggow, die Lage entspannter, aber es bleibt herausfordernd: „Natürlich war es nach der langen Zeit nicht so einfach wie in den Jahren vorher. Auch bei Partnern gab es zum Beispiel in den vergangenen Jahren Wechsel an entscheidenden Positionen. Hier muss man erst einmal das Rennen und die Veranstaltung erklären.“

Verkürzung auf zwei Tage

Genauso wird beim Berliner Sechstagerennen, das am Freitag beginnt, gerechnet. „Der Donnerstag muss leider entfallen, da er trotz günstiger Ticketpreise nicht angenommen worden ist“, sagt Veranstaltungsleiter Valts Miltovics. Diesmal wird das Event nur zwei Tage dauern. Dass es überhaupt weitergeht, ist für Sportler, wie den mehrmaligen Weltmeister Roger Kluge von hoher Bedeutung. Deshalb unterstützt der Berliner Profi die Verkürzung und hofft, dass man künftig wieder zu den traditionellen sechs Tagen zurückkehren könnte.

Nicht ganz so drastisch waren die Bremer Veranstalter; sie stauchten die sechs Tage auf vier zusammen. Der sportliche Leiter, Erik Weispfennig, verweist auf die kontinuierlichen Anpassungen des Traditionsevents an die Wünsche der Zuschauer und Sponsoren. Das sportliche Herzstück ist die Konkurrenz der zwölf Zweierteams.

Weispfennig konnte die Siegreichsten im Profisport verpflichten; etwa Roger Kluge und Theo Reinhard. Sie haben einen Tag vor den Bremer Sixdays zum dritten Mal in Serie Gold im Madison bei der Bahnrad-Europameisterschaften in Apeldoorn geholt und auch dieses Jahr in der Hansestadt gesiegt. Obendrein verpflichtet wurden die amtierenden Madison-Weltmeister Yoeri Havik und Jan-Willem van Schip aus den Niederlanden sowie der wegen seinen enormen Oberschenkel „Quadzilla“ genannte Robert Förstemann.

Auf ihrem Weg in die Zukunft werben die Bremer Veranstalter um die Gunst der Jugend und luden einige Social-Media-Stars zum Kidsday ein. Tausende folgten der Einladung, zumal der Eintritt kostenlos war. Popstars wie Ben Zucker und Vanessa Mai zogen das Partyvolk auf die Tanzflächen. Die Sängerin schoss zusammen mit dem Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte das 57. Rennen an. Die Events und Shows sind eine tragende Säule der Sechstagerennen. „Es gibt viele Menschen, die zum Sport kommen und auf einmal Gefallen am Musikprogramm finden – und umgekehrt. Hier macht es die Mischung aller unterschiedlichen Menschen, die die Veranstaltung dazu macht, die sie ist“, konstatiert Mario Roggow.

Die Sportler bringen den Radsport abseits von WM und Olympia einem breiten Publikum nahe. Und die durchschnittlich gefahrenen 700 Kilometer bei den Sixdays sind für die Fahrer eine effektive Vorbereitung auf anstehende Wettkämpfe. „Da sollte man vor allem die UCI Champions League hervorheben. Dort wird der Bahnradsport in einem kurzen fernsehtauglichen Format präsentiert“, sagt Erik Weispfennig. Immer mehr Sportler werden direkt nach der U19 Profis. „Von daher ist es für uns wichtig, dass wir den Andy-Kappes-Cup für die U19-Fahrer haben. Gleichzeitig versuche ich, mehr jungen Fahrern einen Startplatz bei den Profis zu geben, damit sie sich bei den Profis beweisen können“, führt der sportliche Leiter aus.

Das Format Sechstagerennen kämpft auf dem Unterhaltungsmarkt in Deutschland weiter ums Überleben. Mit dem Erfolg in diesem Jahr, sind viele Bremer optimistisch, dass ihre Stadt weiterhin die Sixdays beheimatet.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.