Experiment abgelehnt: Freie Schule - etwas zu frei

Die Schulbehörde hat sich um eine Bewertung des Konzepts der Freien Schule herumgedrückt, das wurde vor Gericht nun nachgeholt - mit vielen skeptischen Fragen

Eigener reformpädagogischer Elan oder doch eher Ramboqualitäten? Die Schulsenatorin am Werk

Gleich zwei Pädagogik-Professoren kamen gestern zu der Verhandlung ins Oberverwaltungsgericht, überboten sich mit Zitaten von Schleiermacher, Benjamin und Montessori – alles sinngemäß, aus dem Kopf – und die Vorsitzende Richterin hatte deutliche Schwierigkeiten, die Essenz der Verhandlung ins Protokoll zu diktieren. Es ging um das Projekt „Freie Schule Bremen“. Die Bildungssenatorin will sie partout nicht, das Verwaltungsgericht Bremen hatte der Klage des Schulvereins aber stattgegeben mit der Begründung, die Ablehnung sei nicht hinreichend begründet.

Gibt es ein „öffentliches Interesse“ an einer privaten Alternativ-Schule, das ist die juristische Frage. Die Hürde liegt so hoch, seitdem in den 1920er-Jahren die egalitäre Volksschule für alle sozialen Schichten durchgesetzt wurde – gegen das elitäre private Home-Schooling begüteter Bildungsbürger. Auch die Bildungssenatorin heute hat die Sorge, dass ihr eine private Grundschule Kinder aus bildungsbürgerlichen Familien wegschnappt. Begründet hat sie ihre Ablehnung aber mit dem pädagogischen Konzept der „Freien Schule“: Die staatlichen Schulen in Bremen hätten so viele Elemente der Reformpädagogik aufgenommen, dass es keinen weiteren Reform-Bedarf gebe, so das Argument.

Bei dem Element „Sechsjährige Grundschule“ hat die staatliche Bildungspolitik ihre Reform-Projekte allerdings vor zwei Jahren abgebrochen – das neue Schulgesetz sieht den Übergang zu Oberschule oder Gymnasium nach der Klasse vier vor. Da würde die Freie Schule also eine Alternative bieten – darf sie aber nicht, erklärte der Anwalt der Bildungsbehörde, da das Schulgesetz das verbiete.

Das andere Reformelement, das ganz anders ist als die staatliche Schulwirklichkeit, liegt in der „Verschmelzung“ von Grundschule und Kindergarten. Der vom Gericht beauftragte Gutachter Heinz-Elmar Tenorth hat diese Idee einer scharfen Kritik unterzogen. „Spielerisch“ sollen die Grundschüler lernen, stehe da immer wieder, die Lehrkräfte, den Kindern völlig gleichberechtigt, sollten Angebote machen, die Kinder könnten sie annehmen oder ablehnen. Falsch, geradezu gefährlich sei das, meinte Tenorth, weil die Gefahr bestehe, dass den Kindern der Zugang zu dem Wissen nicht eröffnet wird, das sie für ihr Leben brauchen. Die reformpädagogische Begründung der Freien Schule sei „eklektizistisch“. Konsens in der Grundschulpädagogik sei, dass es einen Übergang zu gebundenem, fachspezifischem Lernen geben müsse.

Diese Frage stellte sich besonders für die Jahrgänge fünf und sechs, die den Kindern den Übergang in eine Oberschule ermöglichen sollen. Selbst der von dem Schulverein präsentierte Gutachter Rainer Winkel räumte ein, dass das Konzept der Freien Schule nicht beschreibe, wie in dieser Übergangsphase mehr Betonung des fachlichen Lernens erreichbar sei – ohne die eigenen Grundprinzipien aufzugeben. Insgesamt plädierte Winkel dafür, diesem Schulexperiment „eine Chance zu geben“, gegebenenfalls befristet und mit wissenschaftlicher Begleitung. Das Urteil wird erst in den kommenden zwei Wochen vorliegen.

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