FDP und das Elterngeld: Der versiebte Sinn

Die FDP sucht neue politische Inhalte. Doch schon bei der Frage nach der Zukunft des Elterngeldes zeigt sich: Die Partei weiß nicht, wofür Liberale heute stehen könnten.

Gequältes Lächeln inmitten der lieben Kinderschar: Philipp Rösler, Vorsitzender der "neuen" FDP. Bild: dpa

BERLIN taz | Christian Lindner war voll in Fahrt. Die Freidemokraten wollten aufräumen mit dem "bürokratisch verholzten Wohlfahrtsstaat" von heute, erklärte der Generalsekretär auf dem Rostocker Parteitag. Bestes Beispiel: das von Schwarz-Rot eingeführte Elterngeld. Es habe nicht sein Ziel erreicht, dass mehr Kinder in die Welt gesetzt würden. Oder, wie Lindner es ausdrückte: "Kinder werden nicht am grünen Tisch gemacht." Solche Worte am Sonntagmittag erheiterten oder verschreckten manche Delegierte. Schnell scherzte Lindner: "War das 'ne neue Information für Sie, mit den grünen Tischen? Sie gucken so."

Das nicht. Aber eine neue Information war, was der FDP-Vordenker dann sagte: "Mit den 4 Milliarden Euro des Elterngeldes können wir für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf viel Besseres tun, als Mitnahmetatbestände zu schaffen. Wir können konkret in die Qualität und Flexibilität der Kinderbetreuung investieren. Da wäre das Geld besser aufgehoben als an dieser Stelle." Eilig titelten die Nachrichtenagenturen: "Lindner fordert Abschaffung des Elterngeldes".

Und schon hagelte es Kritik vom Koalitionspartner. "Das Elterngeld ist keine Gebärprämie", schimpfte Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion verschickte eine Pressemitteilung unter dem lapidaren Titel: "Das Elterngeld bleibt". Medien wähnten den nächsten Koalitionskrach. Und das ausgerechnet nach dem Parteitag, auf dem der neue FDP-Chef Philipp Rösler den wenigen verbliebenen Anhängern "bürgerliche", soll heißen: solide Politik versprochen hatte.

Lindner versuchte, seine Worte vom Vortag einzufangen: Das Elterngeld habe sein Ziel zwar tatsächlich nicht erreicht. "Seine Abschaffung habe ich dennoch nicht gefordert, weil dies im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode auch gar nicht vorgesehen ist." Vermutlich hat Lindner also bloß vergessen, das in seiner lange vorbereiteten Grundsatzrede zu erwähnen. Er sagte nicht, er meinte nur.

Das breitere Themenangebot der FDP gibt es noch gar nicht

Doch die Debatte über Ziel und Nutzen des Elterngeldes geht weiter. Unfreiwillig offenbart die FDP dabei: Das breitere Themenangebot, mit dem die FDP Sympathien gewinnen will, gibt es noch gar nicht. Die Partei weiß nicht, was sie abseits von Steuersenkungen und einem Nein zur Vorratsdatenspeicherung wollen soll.

Kurz nach Lindners Rückzug schlug seine Parteifreundin Sibylle Laurischk vor, ein Kindergrundeinkommen einzuführen. Die Vorsitzende des Familienausschusses des Bundestages sagte dazu laut Saarbrücker Zeitung: "Es würde Elterngeld, Kindergeld, das Ehegatten-Splitting sowie alle weiteren Kinderzuschläge ersetzen." Eltern und vor allem Alleinerziehende ohne eigenes Einkommen könnten damit das finanzieren, was ein Kind brauche.

Das ist etwas ganz anderes als das, was Generalsekretär Lindner gefordert hatte. Der wollte in die Qualität der Kinderbetreuung investieren, nicht den Eltern das Geld geben. Und es widerspricht dem Kurs der Regierung. Diese hat das Elterngeld für Hartz-IV-Empfänger erst im Jahr 2010 gestrichen.

All das zeigt, wie unsicher die "neue" FDP ist. Parteichef Rösler und Generalsekretär Lindner berufen sich bei der Renovierung des Partei-Images auf Karl-Hermann Flach und sein Buch "Noch eine Chance für die Liberalen" aus dem Jahr 1971. Die Worte des 1973 verstorbenen FDP-Vordenkers und Generalsekretärs sollen den Jungen Legitimation verschaffen. In dem Buch heißt es: "Liberalismus heißt Einsatz für größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen und Wahrung der menschlichen Würde in jeder gegebenen oder sich verändernden gesellschaftlichen Situation."

Die gesellschaftliche Situation hat sich in den vergangenen 40 Jahren stark verändert. Was gibt Eltern und ihren Kindern heute vermehrt die Möglichkeit, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu formen: Geld für Kitas oder für Eltern? Oder für beide? Soll sich der Staat raushalten? Den Freidemokraten von heute scheinen solche Fragen neu zu sein. Sie gucken so.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.