FLINTA*-Fußballteam in Bremen: Das Ergebnis ist scheißegaaal

In der Bremer Wilden Fußballliga spielt ein FLINTA*-Team seine erste Saison. Sportlich kann es nicht mithalten. Und doch passt es gut zur Idee dahinter.

Fünf Personen stehen mit anderen in einem Kreis und halten sich die Arme um die Schultern

Wichtiger als Erfolge im Fußball: ein vertrauter Umgang und das Drumherum Foto: Kay Michalak

BREMEN taz | Mit einem 0:25 haben die Schrotflintas in der Wilden Liga Bremen am Samstagabend ihr bestes Ergebnis der Wintersaison erzielt. „Heute wurde geschrotet“, schreien die Spie­le­r*in­nen in ihrem Kreis nach der Partie gegen FC Wahda. Nach dem Abklatschen mit den Gegner geht Vici Hamborg, eine der Mit­be­grün­de­r*in­nen des FLINTA*-Teams, noch einmal zu den jungen Männern rüber. Hinterher erklärt sie: „Wir dachten, die hätten zwischendurch über uns gelacht. Aber war wohl nicht so, die wirkten gerade sehr korrekt.“

Den Anschein machte es durchaus: Die Gegner tricksen am Ende des Spiels grinsend rum, versuchen, an den Schrotflintas per Ballhochhalten vorbeizukommen, schließen frei vor dem Tor nicht mehr ab, sondern spielen drei Pässe mehr als nötig. Als ihr Torwart sich auch noch hinsetzt, kommt von einer der Auswechselspieler*innen: „Sein Ernst?“

Manche sind genervt, auch von den eigenen vergebenen Chancen, von denen es durchaus einige gab. „Wir machen gar kein Scheiß-Spiel“, lautet zwischenzeitlich die richtige Feststellung. Die Schrotflintas hauen sich rein, sind aber technisch unterlegen und meist einen Schritt zu spät. Einige haben mehr Erfahrung als andere, doch das hilft nicht. Die Motivationsschreie und -gesänge von Spielfeldrand reißen trotzdem nicht ab: „Geht denen auf den Sack!“

Von der Kneipe auf den Platz

An einem Kneipenabend hatte Vici Hamborg gemeinsam mit Freun­d*in­nen die Idee für ein FLINTA-Fußballteam. FLINTA* steht für Frauen, Lesben, inter, nicht-binäre, trans und agender Menschen. An die Teilnahmen bei der Wilden Liga haben sie damals nicht gedacht. Im Mai 2023 schickte Hamborg dann eine Rundmail über einen großen Verteiler in Bremen. Wochen später bestand die Chatgruppe aus mehr als 50 Leuten, inzwischen sind es 120. „Das hat sich verselbstständigt, immer wieder kommen neue Leute zum Training“, sagt Hamborg. Das Chaos am Spielfeldrand, von dem Hamborg erzählt, hat sich beim vierten Saisonspiel am Samstag erstmals gelegt: Alle Positionen sind doppelt besetzt, die Wechsel laufen reibungslos. Wer rauskommt, pumpt meist ordentlich. „Wir müssen öfter trainieren“, schnauft eine der Schrotflintas.

Hamborg hat als Kind auf dem Dorf gespielt, eine Mädchenmannschaft gab es aber nicht. Deswegen war sie gemeinsam mit einer befreundeten Person bei den Jungs. „Die haben uns einfach ausgeblendet und gespielt, als wären sie zu neunt. Das hat mir die Lust am Sport genommen.“

Sich einem bereits bestehenden Team in der Wilden Liga anzuschließen, kam für Hamborg nicht infrage – obwohl auch gute Freunde dabei sind. „Ich habe trotzdem keine Lust, mit denen im Team zu spielen. Das ist ein komplett anderes Spiel.“ Es gehe ihr nicht um offensichtliches Sprücheklopfen, eher um ein Gefühl; „wie man miteinander umgeht und redet“.

Ein unangenehmes Spiel hat Hamborg bislang erlebt. „Die Gegner waren schnell genervt und gereizt, wenn wir die besonderen Regeln der Wilden Liga nicht kannten; zum Beispiel, dass der Ball beim Einwurf eingerollt und nicht eingeworfen wird.“ Die Angst vor blöden Sprüchen sei bei Hamborg schon dagewesen, bislang habe es die aber nicht gegeben.

Gegen Stümper 02, Harpune und Erasmus fielen die Niederlagen noch deutlicher als am Samstag aus. Die Schrotflintas stehen auf dem letzten Tabellenplatz mit einer Tordifferenz von 3:120. Dass ihr Team so hoch verliert, ist Hamborg aber egal. „Ich hatte nie einen Anspruch, zu gewinnen.“ Vor allem nicht so kurz nach der Gründung. „Wir werden bestimmt auch noch besser.“ Das ganze Drumherum sei für sie ohnehin überzeugender.

Kein Bock auf Fußball-Hierarchien

Zum Drumherum zählt das gemeinsame Fußballschauen. „Wir gehen ins Stadion. In einem vertrauten Rahmen ist es angenehmer, sich dort zu bewegen.“ Auch bei den Werderfrauen waren die Schrotflintas schon.

Ende der Siebziger gründeten sich die ersten alternativen Ligen. In der Achtzigern wurden es dann immer mehr Wilde Ligen, auch Bunte Ligen genannt. Die Gruppen entstanden aus der linken Szene. Man hatte kein Bock mehr auf den Fußball in hierarchisch organisierten Vereinen unter dem Dach des ebenso hie­rarchischen DFB – stattdessen auf mehr Selbstorganisation, weniger Konkurrenz- und Leistungsdruck. Schiris und Trai­ne­r*in­nen gibt es nicht.

Die Bremer Liga gibt es seit 31 Jahren. Simon Rau ist seit 2016 dabei. Er ist Kapitän seines Teams Mahatma Gondi und regelmäßig beim Plenum der Wilden Liga. Neue Teams müssen dorthin gehen, sich vorstellen, am besten mit einem Namen und genug Mitspielenden. Dann wird abgestimmt, ob das Team teilnehmen darf, erzählt Rau. „Allerdings habe ich noch nie erlebt, dass dagegen gestimmt wurde.“

In der Winterliga, die auf kleinen Kunstrasenplätzen sechs gegen sechs gespielt wird, sind derzeit 18 Teams. „Viel mehr geht nicht“, sagt Rau. Mit mehr Teams müsse man dann eine zweite Liga gründen. Die Sommerliga wird auf einem Großfeld gespielt, elf gegen elf. Pa­rallel läuft noch ein Pokalwettbewerb.

Liga wird weiblicher und diverser

Die Schrotflintas kommen gut an, sagt Rau. „Wir freuen uns, dass wir weiblicher und diverser werden und neuer Wind in die Liga kommt.“ Dass sie sportlich bislang nicht halten können, hält er für unproblematisch. Die Liga sei auch kompetitiv, „aber nicht auf Teufel komm raus“. Hier und da findet sich in der Wilden Liga noch der Typ Vereinsspieler. Das sei aber die Minderheit, sagt Rau. „Manche brauchen ein bisschen, um den Gedanken der Wilden Liga zu checken und zu leben. Und wenn das Mindset nicht stimmt, dann gerne zurück in den Vereinsfußball.“

Wie es mit den Schrotflintas jetzt weitergeht, wird sich erst noch zeigen. Hamborg spricht von einem Interessenskonflikt: „Wir wollen niedrigschwellig bleiben, auf der anderen Seite brauchen wir Struktur.“ Positionen auf dem Spielfeld, Trikotnummern, vielleicht einen festen Kern. „Das sind wilde Prozesse. Darauf habe ich mich nicht vorbereitet.“

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