Falsche Kritik an Aktivismus: Ich bin kein Protestdienstleister

Wer kritisiert, wie Menschen protestieren, will oft nicht über die eigentlichen Themen reden und sich vor ihren politischen Forderungen drücken.

Ein buntes Protestschild auf einer Demo gegen die AFD

Mit bunten Schildern bei Wind und Wetter Foto: Müller-Stauffenberg/imago

Wer politisch erfolgreich sein will, muss möglichst viele Menschen für seine Ideen gewinnen. So weit, so klar. Doch wer ist dafür eigentlich zuständig? Von Parteien erwarten wir nicht nur Inhalte, sondern auch Überzeugungsarbeit: Sie sollen nicht nur Inhalte liefern, sondern auch um unsere Stimmen werben. Aber gilt dieser Anspruch auch für die Zivilgesellschaft?

Tatsächlich wurde mir mal wieder der Hinweis gegeben, ich solle darauf achten, wie ich mit meinem politischen Engagement mehr Menschen erreichen könne. Ich würde doch Leute überzeugen wollen mit meinem Aktivismus. Ehrlich gesagt, sehe ich das gar nicht als meine Aufgabe. Ich trete zwar für meine Werte ein, aber ich bin keine Missionarin. Im Antirassismusbereich kläre ich auch gerne mal auf: Ich teile Wissen und Einschätzungen. Ich freue mich, wenn jemand etwas davon mitnimmt. Aber Politik ist nicht mein Job.


Wer anspricht, wie Menschen protestieren oder für Sichtbarkeit sorgen, bringt Einwände meist vor, um nicht über die eigentlichen Themen reden oder gar auf politische Forderungen eingehen zu müssen. Da heißt es schnell: Queers sollen nicht so „schrill“ sein, PoC nicht so viel skandalisieren, behinderte Menschen geduldiger sein, die Antifa nicht so radikal und die Fe­mi­nis­t*in­nen könne man erst ernst nehmen, falls sie auf Anglizismen und Sonderzeichen verzichten. Die Letzte Generation, heißt es, könne mehr Leute überzeugen, wenn sie diese pünktlich zur Arbeit kommen ließe.

Was wären denn sexy Aktionsformen?

Aber warum muss überhaupt jemand erst durch Protest davon überzeugt werden, dass dieser Planet erhaltenswert ist? Und falls es Personen gibt, die das Anliegen teilen, aber von der Protestform abgeschreckt sind: Warum haben die keine sexy Aktionsformen entwickelt, die die breiten Massen für den Klimaschutz begeistern?

Soziale Bewegungen müssen anschlussfähig und zugänglich sein. Ich bin für offene Räume, einfache Sprache, den Abbau von Szenedünkel und Barrieren. Ich bin für bunten und vielfältigen Protest. Aber ich bin doch kein Demokratiedienstleister – und all diejenigen, die sich am Wochenende entscheiden, auf die Demo zu gehen statt ins Freibad, sind das doch auch nicht!

Der Umstand, dass so viele Menschen ihre Energie und Freizeit in zivilgesellschaftliches Engagement, in Vereinsarbeit und Initiativen stecken, beeindruckt mich immer wieder und wir haben diesen Menschen so viele positive Entwicklungen zu verdanken. Wieso wird von denen, die Missstände aufzeigen und an Veränderung arbeiten, verlangt, dass sie diese Arbeit auf andere zuschneiden?

Zumal diese Forderung oft von Leuten kommt, die sich mehr in der Rolle als Beobachtende sehen oder als Außenstehende, die auf ein interessantes Angebot warten. Als wären sie nicht selbst Teil dieser Gesellschaft und des politischen Gefüges und könnten sich nicht jetzt, in diesem Moment, in dem sie sich „nicht abgeholt“ fühlen, dranmachen und ihren eigenen Weg einschlagen.


Ich persönlich bin nicht gut im Abholen. Ich kümmere mich lieber um die, die schon da sind und dabei bleiben. Trotz allen Ärgers, politischer Rückschläge und Gefahr durch den Rechtsruck. Ich will mit meinen Beiträgen dafür sorgen, dass diejenigen, die klatschnass und durchgefroren von der Demo kommen, neuen Mut und keinen Schnupfen bekommen – damit sie nächstes Mal wieder rauskönnen. Und dafür, dass sie auch einfach mal Spaß haben.

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Simone Dede Ayivi ist Autorin und Theatermacherin. Sie studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis in Hildesheim. Aktuell arbeitet sie zu den Themen Feminismus, Antirassismus, Protest- und Subkultur.

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