Fan-Kultur zu Lady Diana: Das Interesse stirbt nie

Am 31. August ist der 25. Todestag von Lady Diana. Viele Film- und Fernsehproduktionen interpretieren dabei das Leben Dianas, wie es ihnen gefällt.

Lady Di mit Hut in einer Menschenmenge

Lady Di in „THE PRINCESS“ Foto: Kent Gavin/NDR

Das Wasser und das Volk kann man nicht zurückhalten, sagt ein Sprichwort. Und vom Volk, in diesem Fall dem britischen, wurde sie tatsächlich umströmt: Dass die vor 25 Jahren tödlich verunglückte Diana Spencer nicht nur Unfallopfer war, sondern auch ein Opfer der Medien, und damit eines vermeintlichen Volksinteresses, wusste man kurz nach dem Crash ihres schwarzen Mercedes in einem Pariser Tunnel am 31. August 1997. Eigentlich schon davor.

Seit einem Vierteljahrhundert wird spekuliert, was passierte. Diana ist Thema in Print und Radio, in Sachbüchern und Romanen, sozialen Medien, Dokumentar- und Spielfilmen – immer mit dem Hinweis auf die angebliche Anteilnahme und Aufmerksamkeit einer Öffentlichkeit. Dabei kritisieren ihre Söhne das damalige Verhalten der britischen „Yellow Press“ mittlerweile so offen, wie es ihnen qua Blaublutregularien möglich ist, und mehr: Dianas jüngerer Sohn Harry begründet seine Distanzierung zu den britischen Royals mit dem feindlichen Verhalten dieser Medien gegenüber seiner Ehefrau.

Die langen Objektive der Fotografen und das Geräusch des immerwährenden Klickens bilden folgerichtig die Hintergrundatmo für einen neuen Dokumentarfilm, den die ARD – nach einem kurzen Kinostart – zum Todestag der Prinzessin zeigt und danach in der Mediathek bereitstellt. „The Princess“ arbeitet weder mit erklärenden Talking Heads noch mit Reenactment oder Off-Kommentar. Stattdessen legt der britische Dokumentarfilmer Ed Perkins eine Archiv-Fleißarbeit vor: Er hat Unmassen von bewegten Original-Fernsehbildern von Prinzessin und Volk gefunden, gesichtet oder aus Sammlungen und Archiven gezogen. Die Bilder und Sequenzen der Royals, die teilweise als Ausschnitt oder als Stills längst vertraut sind, sowie die Kommentare und Reaktionen der – untertänigen oder monarchiekritischen – Briten und Britinnen hat er nach einer strengen Spielfilmdramaturgie neu zusammengesetzt.

Der unzeitgemäße Prinzessinnentraum beginnt demnach mit der Begegnung von Charles und Diana, mit harmonisch wirkenden gemeinsamen Interviews, mit der Hochzeit im Taft-Sahnebaiser und der darauffolgenden Heimkehr ins Schloss, das sich, so weiß man als Zuschauer:in, und so impliziert es der Regisseur durch den manipulativen Musikeinsatz, alsbald als Gefängnis outet. Perkins lässt seinen pathetischen, mit sphärischen Chören verstärkten Score enden, als die königliche Hochzeitskutsche den Palast erreicht und Charles steif herausklettert. Er gibt der Szene damit eine klare Aussage: Der Traum platzt mit Dianas Einzug in Windsor. Statt schwelgerischen Hochzeitsmelodien hört man vor dem Schweigen der Brautleute nun nur noch die Knipsgeräusche und das Wiehern der royalen Schimmel.

Zwar präsentiert Perkins in seinem Film auch atmosphärische, vielsagende Bilder wie Royalisten mit Union-Jack-Hüten, die bei der Geburt von Dianas erstem Sohn William vor dem Krankenhaus warten, und nach der glücklichen Botschaft zur Melodie von John Philip Sousas Militärmarsch „Stars and Stripes forever“ (in Deutschland bekannt als Werbemusik zum Putzmittel „Der General“) „It’s a boy, it’s a boy, it’s a bo-hoy“ grölen. Und er lenkt durch Vox-Populi-Ausschnitte und Einspieler von Anrufen (aus TV-Call-in-Shows) den Blick auf eine gespaltene, früh vom Medienrummel so gefangene wie genervte Nation.

Doch eigentlich macht Regisseur Perkins, der sich durch die fehlende Fremdeinordnung und das Ausklammern der Erklärbär-Texte als „objektiv“ geriert, genau das Gleiche wie die in seinem Film kritisch vorgeführten (Medien-)Menschen: Er interpretiert das Leben Dianas nach seinem Gusto. Und schreckt nicht davor zurück, sachlich und chronologisch falsche Bilder einzufügen, weil es ihm in die Dramaturgie passt. Wenn er etwa von der Nahaufnahme des an Dianas Finger nuckelnden kleinen William auf eine Totale von Vögeln schneidet, die bei einer Jagd vom Himmel geschossen und von einem Jagdhund apportiert werden, dann ist das eine stark suggestive Sequenz: Diana ist das abgeschossene Opfer.

Unter den Jägern erkennt man Charles’ etwas gedrungene Gestalt und seine Knieglatze. Damit müssen die Jagdbilder allerdings viel später entstanden sein – denn um das Jahr 1982 herum hatte Charles volles Haar und war schlank. Auch eine Sequenz, in der Charles kurz nach der Geburt mit seinem schnittigen Junggesellen-Zweisitzer zum Polospiel flitzt, suggeriert durch den Schnitt, dass er dort direkt seine Liebhaberin Camilla trifft. Die Bilder mit ihr am Spielfeldrand sind – dem Alter von Camilla und ihren Kindern nach zu urteilen – aber ebenfalls Jahre später entstanden.

„Diana zieht die Menschen magisch an“

Perkins’ Film erzählt neben der ambivalenten Beziehung zwischen Diana und den Medien von einem auch in anderen Bereichen schwelenden Enthüllungsstreit, in dem Dianas erste Biografie gegen einen von Charles beauftragten Dokumentarfilm antritt, daraufhin versucht es eine Romancière mit dem Roman „Princess in Love“, gekontert mit einer neuen Charles-Biografie.

Doch O-Töne wie „Ihr, die Presse, habt sie umgebracht“, vorgebracht von einem direkt in die Kamera sprechenden Mann, verdeutlichen das formale Problem von „The Princess“: Weil er ausschließlich von anderen gemachte „Archivbilder“ benutzt, und sie zu etwas Neuem ordnet, ist Ed Perkins’ Perspektive und Haltung nicht die eines – so weit es geht – objektiven Journalisten. Stattdessen gleicht sein Blick dem der zu Recht inkriminierten Presse. Immer wieder versucht Perkins, diesen Eindruck zu konterkarieren, indem er die (übrigens zu 99,99 Prozent) männlichen Reporter zeigt, die Diana bedrängen und filmen. Aber er selbst ist es, der durch deren Augen schaut.

Das ZDF gedenkt ebenfalls des Todestages. Mit Floskeln wie „Ihr Schicksal hält alle in Atem“ ist der reißerische Dokumentarfilm „Dianas letzte Nacht“ von Annika Blendl, Ulrike Grunewald und Leonie Stade angedickt. Die Autorinnen nutzen formal die üblichen Methoden – Talking Heads, Off-Text und Reenactment – und untermalen unwichtige, dennoch spekulative Bilder von einer mit den Slingbacks voraus aus dem Auto steigenden Dianadarstellerin mit kitschigen Klavier-Arpeggien. Ärgerliche Sachfehler auf der Sprachebene – sie starb nicht „zwei Jahre nach der Scheidung von Thronfolger Charles“, sondern ein Jahr später, und ­O-Töne wie „Wenn sie einen Raum voller Supermodels betrat, war es, als ginge die Sonne auf“, eine fragwürdige Einschätzung ihres „Privatsekretärs“ Patrick Jephson, drängen den Film weiter in Richtung Käseblattjournalismus.

Eine BBC-Reporterin namens Jennie Bond weiß genau: „Diana war sexy und sie hatte Spaß mit Dodi Al-Fayed. Ihr gefiel das Flirten und mit ihm ins Bett zu gehen“, Society-Journalist:innen und auch angebliche Freunde dürfen ihren Senf dazugeben. Beinhart küchenpsychologisiert der Film das Verhalten der unbekannten Verstorbenen: „Diana zieht die Menschen magisch an. Doch eine enge Liebesbeziehung gelingt ihr nicht. Und ihr Katz-und-Maus-Spiel mit den Medien ist oft undurchschaubar.“

Vielleicht schaffen es die Medienschaffenden auch einfach nicht, im richtigen Moment zu verstummen, Diana und ihre qua Hörensagen vermuteten Motive ruhen zu lassen. Das immer wieder herbeizitierte große Interesse an Diana scheinen die Medien bei einer öffentlich-rechtlichen Kon­su­men­t:in­nen­grup­pe schlichtweg vorauszusetzen – laut Perkins’ Film ist es jedoch genau jene Volkesstimme, die die Re­por­te­r:in­nen auffordert, von Diana abzulassen.

Anders gehen aktuelle fiktionale Porträts wie die Diana-Sequenzen in „The Crown“ oder Pablo Larraíns Drama „Spencer“ mit dem Sujet um: Sie malen neue Geschichten, und nutzen die Figur Diana als Symbol für die Beschäftigung mit Diana-unabhängigen Phänomenen wie Entfremdung, Narzissmus oder Körperbildstörungen. Die echte Diana wäre vermutlich auch darüber nicht „amused“ gewesen. Dennoch: Immerhin behaupten Spielfilme nicht, dass sie die Wahrheit gepachtet hätten.

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