Film über Schwarzen Komponisten: Das Geigenduell gewann er

Ein Schwarzer Komponist zur Zeit von Mozart: Der „Chevalier“ erzählt das kaum bekannte Leben von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges.

Das Standphoto zeigt links Joseph Bologne, der gerade Violine spielt. Rechts hört Mozart zu und ahnt wohl schon, dass er diesen Wettbewerb verlieren wird

Er komponierte, focht und spielte Violine: Hier geigt der Chevalier den Kollegen Mozart an die Wand Foto: Disney+

Nicht jede wahre Geschichte verdient es, verfilmt zu werden, auch wenn Hollywood uns mitunter anderes glauben lassen will. Doch hin und wieder findet sich doch mal eine, die so außergewöhnlich ist, dass man gar nicht glauben mag, dass sie nicht schon dutzendfach erzählt wurde. So wie die Biografie von Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, die als Grundlage für den Film „Chevalier“ diente, der statt auf der Leinwand nun immerhin beim Streamingdienst Disney+ zu sehen ist.

Dass der Name dieses Mannes, geschweige denn sein Leben und Werk, nicht vielen Menschen vertraut sein dürfte, hat einen einfachen Grund. Bologne, im 18. Jahrhundert in Paris als einer der virtuosesten Geiger seiner Zeit gefeiert und als Komponist erfolgreich, war Schwarz. Was ihn schon zu Lebzeiten, aller Erfolge zum Trotz, zum immer wieder diskriminierten Außenseiter machte, führte nach seinem Tod, längst verarmt und in Ungnade gefallen, erst recht dazu, dass sich niemand bemüßigt sah, sein Werk zu bewahren oder ihn in die Geschichtsbücher einzuschreiben. Etliche seiner Arbeiten sind für immer verloren.

Parallel zu einer seit einigen Jahren anhaltenden Wiederentdeckung in der Klassikwelt setzt nun „Chevalier“, inszeniert von Stephen Williams, diesem Mann ein überfälliges Denkmal.

Eine märchenhafte Ausnahmeerscheinung

„Chevalier – The Untold Story“. Regie: Stephen Williams. Mit Kelvin Harrison Jr., Lucy Boynton u. a. USA 2022, 107 Min. Läuft auf Disney+.

Um unmissverständlich klarzumachen, mit was für einem Ausnahmekünstler wir es hier zu tun haben, setzt der Film direkt mit einer eindrucksvollen Szene ein: auf großer Bühne fordert Joseph (Kelvin Harrison Jr.), als Sohn eines französischen Plantagenbesitzers und einer von ihm versklavten Frau (Ronkẹ Adékoluẹjo) in Guadeloupe geboren und Absolvent eines renommierten Internats in Paris, niemand Geringeren als Mozart persönlich zum Geigenduell heraus. Und gewinnt.

Dass sich dieser Moment tatsächlich so ereignet hat, darf bestritten werden. „Ich bin keine Historikerin“, betont Drehbuchautorin Stefani Robinson im Interview. „Mir ging es darum, die beeindruckende Geschichte dieses Mannes in packende Unterhaltung zu verwandeln, irgendwo zwischen ‚Amadeus‘ und ‚Purple Rain‘. Natürlich hätten wir einfach seinen Wikipedia-Eintrag verfilmen können. Aber viel wichtiger als reine Fakten erschien es mir, ein Gefühl dafür zu vermitteln, was ihn zu einer geradezu märchenhaften Ausnahmeerscheinung macht.“

Die entscheidenden Stationen und Tatsachen haben trotzdem Einzug gefunden in den Film, in dem dann alles kombiniert wird mit dem Pomp und den dramaturgischen Mechanismen, die man von einem historischen Biopic erwarten kann.

Temporeich und prächtig

So begeistert Joseph, der es übrigens auch als Fechter mit jedem Gegner aufnehmen kann, mit seinem musikalischen Talent nicht nur Marie Antoinette (Lucy Boynton), sondern verliebt sich zudem in die begabte und leider mit einem fiesen Marquis verheiratete Sängerin Marie-Josephine de Montalembert (Samara Weaving). Als er sich kurz vor der Französischen Revolution selbstbewusst um die Leitung der Pariser Oper bewirbt, wird ihm allerdings das Techtelmechtel ebenso zum Verhängnis wie der latente Rassismus in der besseren Gesellschaft.

Die elektrisierende Energie der Auftaktszene vermögen Regie und Drehbuch nicht den gesamten Film über aufrechtzuerhalten, doch als temporeiches und prächtig anzusehendes Entertainment funktioniert „Chevalier“ allemal, auch weil Kelvin Harrison Jr. die Titelrolle sehenswert mit Leben erfüllt.

Eine identitätspolitische Kostümsoap

Daran, dass der Erzählansatz dabei weder sonderlich intellektuell noch radikal ist, kann man sich durchaus stören, mutet die Geschichte doch phasenweise eher wie eine von den Ideen US-amerikanischer Identitätspolitik durchsetzte Kostümsoap an.

Viel entscheidender allerdings ist, dass die einzigartige Biografie dieses sträflich unbekannten Mannes überhaupt endlich erzählt wird. Und dabei unmissverständlich klarmacht, warum Joseph Bologne aller Exzellenz zum Trotz nie die gleiche Anerkennung zuteilwurde wie weißen Wegbegleitern wie Wolfgang Amadeus Mozart oder Joseph Haydn.

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