Finanzkrise: Schock in Britannien

Irische Anleger stürmen die Hypothekenbank Northern Rock, um ihre Ersparnisse zu retten. EU-Finanzminister sehen das Risiko einer Finanzkrise nicht gebannt.

Besorgte Kunden drängelten sich auch am Samstag vor einer Filiale von Northern Rock in Edinburgh Bild: ap

Es gebe keinen Grund zur Panik, versicherte am Samstagabend der britische Schatzkanzler Alistair Darling. Die Bankenaufsicht habe ihm gesagt, dass die Hypothekenbank Northern Rock durchaus in der Lage sei, ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden nachzukommen.

Die schätzen die Lage anders ein. Nachdem die fünftgrößte britische Hypothekenbank am Donnerstag bei der Zentralbank einen Notkredit aufnehmen musste, stürmten die Anleger die Filialen, um ihre Ersparnisse zu retten. Allein am Freitag wurde Northern Rock 1 Milliarde Pfund entzogen, bis Samstagabend waren es 1,5 Milliarden. Die Kunden standen stundenlang Schlange, in zwei Filialen musste die Polizei eingreifen.

Northern Rock geriet in die Krise, weil die Kreditvergabe zwischen den Banken praktisch lahmgelegt ist. Die Hypothekenbank konnte bei den anderen britischen Banken kein Geld mehr lockermachen, weil die befürchteten, dass Northern Rock vor der Pleite stehe. Die Anleger vertrauten der Einschätzung dieser Banken mehr als den Beschwichtigungen des Schatzkanzlers.

Northern Rock ist das erste britische Opfer der Krise am US-Immobilienmarkt. Die dortigen Hypothekenbanken hatten ihre Risikodarlehen an andere Banken weltweit verkauft. So schwirren mindestens 200 Milliarden Dollar wertlose Hypotheken in der Welt herum, und niemand weiß, welche Bank es als nächste treffen wird. Wie viele Banken hatte auch Northern Rock Kunden - in der irrigen Annahme, dass die Hauspreise immer weiter steigen würden - das Vier- oder Fünffache von deren Jahreseinkommen geliehen, teilweise mehr als der Wert der Immobilie.

Heute tritt US-Finanzminister Hank Paulson beim britischen Schatzkanzler Alistair Darling an, um gemeinsam über Lösungen der globalen Kreditkrise nachzudenken. Experten befürchten, dass sich die Schwierigkeiten bei Northern Rock auf die gesamte britische Wirtschaft ausdehnen könnten. Danny Gabay von der Finanzberaterfirma Fathom sagte: "Die Krise betrifft zurzeit nur die Finanzmärkte, aber je länger sie andauert, desto größer ist das Risiko, dass sich die Krise auf die gesamte Wirtschaft ausweitet." Nach Informationen des Spiegels könnte die Krise von Northern Rock auch Anleger und Banken hierzulande betreffen. Northern Rock hatte seine Hypotheken weiterverkauft, und auch deutsche Investmentfonds hätten sich mit diesen großzügig verzinsten Papieren eingedeckt.

Auch bei der EU hält man die Gefahr von Bankenzusammenbrüchen für weiterhin groß. Die gegenwärtigen Vorkehrungen zur Finanzstabilität seien angesichts der grenzüberschreitenden Verflechtung der Finanzbranche nicht ausreichend, heißt es in einem internen Papier, das am Samstag am Rande des EU-Finanzministertreffens in Porto bekannt wurde. Die Regeln stammten aus einer Zeit, "als Banken hauptsächlich innerhalb nationaler Grenzen aktiv waren".

Diskutiert werden unter anderem gemeinsame Regeln zum Umgang mit Finanzkrisen, ein besserer Informationsaustausch, grenzüberschreitende Regeln zur Abwicklung insolventer Institute, eine Harmonisierung der Einlagensicherung sowie die Lastenverteilung zwischen Privatsektor und Staat bei Hilfsaktionen. Die EU-Experten beurteilen die Gefahr einer internationalen Finanzkrise größeren Ausmaßes zwar als gering - "die potenziellen wirtschaftlichen und sozialen Schäden könnten aber sehr groß sein", hieß es. Nach Einschätzung des niederländischen Notenbankgouverneurs Nout Wellink könnte die aktuelle Krise im schlimmsten Fall mit Schäden im Volumen von 1,2 Billionen Euro zu Buche schlagen.

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