Finanzkrise: Neuer Streit über Euro-Rettungsschirm

Brüssel will den ESM aufstocken, Berlin hält weiter dagegen. Die deutschen Grünen wollen dem Vertrag trotz umstrittener Klauseln zustimmen.

Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, schaut interessiert auf Europa. Bild: dapd

BRÜSSEL taz | Die umstrittene Aufstockung des neuen Europäischen Rettungsmechanismus (ESM) rückt näher. Die EU-Kommission erwarte, dass der neue, dauerhafte Rettungsschirm von bisher 500 Milliarden Euro Kreditvolumen schon bald auf bis zu eine Billion Euro ausgeweitet werde, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin nach Gesprächen in der Brüsseler Behörde. Bundeskanzlerin Angela Merkel sei mit ihrer Ablehnung isoliert.

Endgültig festgelegt werden soll die Größe des Schirms beim nächsten EU-Gipfel im März. Der ESM soll im Juli in Kraft treten und den bisherigen provisorischen Rettungsschirm EFSF ablösen, aus dem Griechenland, Irland und Portugal unterstützt werden.

Deutschland muss nach den bisherigen Plänen rund 22 Milliarden Euro Kapital einzahlen, bei einer Aufstockung wäre es mehr. Der ESM-Vertrag war am Donnerstag in Brüssel unterzeichnet worden. Er enthält einige Klauseln, die Kritiker im Vorfeld als Angriff auf die Demokratie und auf das Budgetrecht des Parlaments bezeichneten.

Kritik an Blankoscheck

So sollen sich die Unterzeichner "uneingeschränkt und unwiderruflich" verpflichten, nicht nur ihren Anteil einzuzahlen, sondern bei Bedarf auch schnell das für Hilfen benötigte Geld nachzuschießen. Ein Mitspracherecht der nationalen Parlamente oder des Europaparlaments ist nicht vorgesehen. Der Bundestag würde mit seiner Zustimmung also einen Blankoscheck ausstellen, warnen Kritiker.

Hilfen für überschuldete Länder soll es wie bisher nur nach "strikter Konditionalität" geben - was in der Praxis einen strikten Sparkurs bedeutet. Außerdem soll Geld nur fließen, wenn die hilfsbedürftigen Länder den neuen Fiskalpakt ratifizieren. Auch dieser Pakt, der erst am Montag beim EU-Gipfel in Brüssel verabschiedet worden war, sieht einen strikten Sparkurs vor und schränkt das Budgetrecht der Unterzeichnerstaaten ein.

Trotz einiger Vorbehalte werden die Grünen dem ESM-Vertrag im Bundestag wohl zustimmen. "Wir haben immer gefordert, dass der Rettungsschirm vorgezogen wird", sagte Trittin in Brüssel. Nun, da dies umgesetzt werde, "stehen wir zu unserem Wort". Der ESM sei "ohne Zweifel ein Fortschritt" gegenüber den bisherigen, provisorischen Regeln. So beende er die "Lebenslüge, dass der Euro ohne Hilfsmechanismus auskommt".

Spekulation verhindern

Scharf kritisierte Trittin die Haltung der Kanzlerin. Merkel wolle immer nur so viel Geld zur Stützung überschuldeter Eurostaaten geben wie nötig. Deshalb wolle sie auch den ESM kleinhalten. Es komme jedoch darauf an, den Rettungsschirm "so groß zu machen, dass es als aussichtslos erscheint", gegen ihn zu spekulieren. Dann müsse er am Ende auch nicht genutzt werden.

Für eine Aufstockung des ESM haben sich neben der EU-Kommission auch Italien und Frankreich, der Internationale Währungsfonds (IWF) sowie die OECD ausgesprochen.

Die Bundesregierung muss jedoch zunächst die Zustimmung des Bundestags einholen. Wegen der euroskeptischen Haltung vieler FDP-Abgeordneter, aber auch in CDU und CSU, gilt dies als schwierig. Merkel versuche sich die Zustimmung ihrer Koalition zu sichern, indem sie gleichzeitig über "ihren" Fiskalpakt abstimmen lasse, so Trittin. Im Vordergrund stehe die "Koalitionsarithmetik", nicht das Interesse Europas.

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