Flensburger Hotelprojekt: Kein Klima für eine Waldbesetzung

Amtsrichter erkennt bei der Besetzung des Flensburger Bahnhofswaldes keinen rechtfertigenden Notstand. Eine Kollegin hatte das anders gesehen.

Zwei Polizisten stehen im geräumten Bahnhofswald

Fast fertig zur Rodung: Polizisten bei der Räumung des Bahnhofswaldes Foto: Frank Molter/dpa

FLENSBURG taz | Trotz strömenden Regens haben sich am Mittwochmorgen rund 20 Personen vor dem Amtsgericht in Flensburg zu einer Kundgebung versammelt. Sie zeigen ihre Solidarität mit zwei Besetzerinnen des Bahnhofswaldes, die sich wegen Hausfriedensbruchs vor Gericht verantworten müssen. Mit der Besetzung hatten diese versucht, den Bau eines Hotels direkt neben dem Bahnhof zu verhindern, für den das Wäldchen hätte gefällt werden müssen.

Die beiden Angeklagten werden beschuldigt, im Februar 2021 widerrechtlich das befriedete Grundstück in der Bahnhofstraße 40–50 betreten und sich dort zusammen mit anderen Be­set­ze­r*in­nen in Baumhäusern aufgehalten zu haben. Dafür wurden Strafbefehle erlassen, die mit einer Geldstrafe von jeweils 15 Tagessätzen zu je 15 Euro belegt wurden. Beide Angeklagte legten jedoch Einspruch ein. So kam es zu der Verhandlung, die fast sechs Stunden dauerte.

Der Prozess fand im sogenannten Krawall-Saal A 113 statt, vor dem strenge Einlasskontrollen stattfanden. Am Gerichtseingang wurden die Kleider und Rucksäcke der Be­su­che­r*In­nen durchsucht. Der Richter begründete die Wahl dieses Saales mit der angemeldeten Demonstration vor dem Amtsgericht und damit, dass in der Vergangenheit Prozesse mit ähnlichem, öffentlichem Interesse nicht immer einfach gewesen seien.

Gleich zu Anfang argumentierte der Verteidiger einer der beiden Angeklagten, dass das Gelände des Bahnhofswaldes nur unzureichend eingezäunt gewesen sei und dass Waldgebiete grundsätzlich betreten werden dürften. Er stellte auch in Frage, ob eine berechtigte Person die De­mons­tran­t*In­nen in rechtmäßiger Weise aufgefordert habe, die Bäume zu verlassen. Die sechs Zeugen – allesamt Po­li­zis­t*In­nen – bestätigten diese Zweifel oder waren sich nicht mehr sicher, wie die Begebenheiten im Februar 2021 genau waren.

Ein Strafbefehl bleibt

Die Staatsanwaltschaft insistierte dennoch darauf, die Strafbefehle beizubehalten: also 15 Tagessätze zu je 15 Euro sowie die Übernahme der Verfahrens­kosten. Der Anwalt und die Ak­ti­vis­tin­nen wiesen das zurück und beriefen sich für die Baumbesetzung auf das Argument des „rechtfertigenden Notstandes“.

Nachdem der Richter sich für etwa 45 Minuten zurückgezogen hatte, verkündete er das Urteil. Die Angeklagte, welche von einer der Zeu­g*in­nen erkannt worden war, wurde für schuldig befunden. Sie muss zahlen. Die zweite Angeklagte wurde freigesprochen.

Der Richter ließ sich nicht vom Argument des „rechtfertigenden Notstands“ überzeugen, obwohl eine seiner Kol­le­g*In­nen im November 2022 zur Besetzung des Bahnhofswaldes eine andere Entscheidung getroffen hatte. Das Amtsgericht Flensburg sprach damals einen 41-Jährigen frei, dem Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde.

Dabei wog das Amtsgericht den Klimaschutz als ein Rechtsgut von Verfassungsrang gegen den Eigentumsschutz der Waldeigentümer ab und stellte fest, dass der Hausfriedensbruch in diesem Fall gerechtfertigt sei. Dabei verwies das Amtsgericht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2021, das die unzureichende Gesetzgebung zum Klimaschutz kritisierte.

Ak­ti­vis­t*in­nen kritisieren die Umstände, unter denen der Wald geräumt wurde

Dagegen ließ der Richter in der aktuellen Verhandlung wissen, die persönlichen Ansprachen der Aktivistinnen hätten seine Entscheidung nicht beeinflusst. Die Angeklagten hatten darin betont, wie wichtig es gewesen sei, den Wald zu erhalten und für Klimaschutz einzustehen.

Nach der Bekanntgabe des Urteils entstanden im Gerichtssaal lautstarke Rufe, die die unterschiedlichen Standpunkte in Bezug auf den Fall verdeutlichten. Viele Ak­ti­vis­t*In­nen kritisieren scharf die Umstände, unter denen der Bahnhofswald im Februar 2021 geräumt worden war. Die Investoren hatten zunächst einen Sicherheitsdienst beauftragt, der die besetzten Bäume leicht ansägte. Das Strafverfahren in diesem Zusammenhang wurde jedoch eingestellt.

Die Stadt Flensburg rechtfertigte die anschließende Räumung durch die Polizei mit Verweis auf die Corona-Ausgangssperre, obwohl dadurch viele Menschen vor Ort zusammenkamen. Das Gelände wurde sofort gerodet, während der Bau des Hotels erst ein Jahr später begann, dann aber sehr schnell wieder ruhte. Die Umweltorganisation BUND hat einen vorläufigen Baustopp erwirkt, der solange in Kraft bleibt, bis geklärt ist, ob die Investoren gegen Naturschutzauflagen verstoßen haben.

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