Flughafen-Baustelle: "Die Politik hat es vergeigt"

Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop fordert: Ein Aufsichtsrat aus Fachleuten soll die Flughafengesellschaft aus der Krise führen.

Ramona Pop will Wowereit mit einem Misstrauensantrag zu Fall bringen Bild: Steffi Loos/dapd

taz: Frau Pop, SPD und CDU haben sich klar hinter Klaus Wowereit gestellt - wollen Sie da das Misstrauensvotum nicht noch ablasen?

Ramona Pop: Ich bin schon gespannt, wie die Abgeordneten von CDU und SPD es begründen wollen, dass sie Klaus Wowereit in dieser Lage noch das Vertrauen aussprechen.

... als Regierungschef, nicht als Aufsichtsratschef.

Ja, das ist es ja gerade: Vertrauen Sie ihm, dass er nach all dem als Regierungschef weiter die Stadt regiert? Koalitionsräson reicht als Begründung nicht aus. Klaus Wowereit hat schweren Schaden über die Stadt gebracht. Stellen Sie sich vor, wenn er nun den Länderfinanzausgleich neu verhandeln muss. Wie schlecht wird Berlin nach diesen Vorkommnissen mit ihm dabei abschneiden? Das mag ich mir gar nicht vorstellen.

Wegen zu wenig Fachkompetenz oder seines beschädigten Ansehens bei seinen Ministertpräsidentenkollegen?

Nicht nur der Ruf der Stadt ist schwer angeschlagen, auch sein eigener. Er ist kein guter Botschafter mehr für Berlin, er kann sich nicht länger hinstellen und sagen: Ich habe Gutes für Berlin bewirkt und fordere nun im Länderfinanzausgleich mehr Geld. Man wird sich fragen, warum man diesem Mann noch Geld in die Hand drücken soll.

Hatten Sie denn wirklich Hoffnung auf Unterstützung aus SPD oder CDU? Immerhin ist die Abstimmung öffentlich - einen wie den "Heidemörder", der in geheimer Abstimmung 2005 die damalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidenten Heide Simonis zu Fall brachte, könnte es sowieso nicht geben.

Hintenrum auf einen solchen Heidemörder zu vertrauen ist gar nicht die Frage, selbst wenn die Verfassung keine offene Abstimmung vorschreiben sollte. Wir sind als Opposition in der Pflicht, jeden einzelnen in der SPD- und der CDU-Fraktion an seine Verantwortung gegenüber den Wählern zu erinnern.

Aber nochmal: Hatten Sie konkret beim einen oder anderen SPDler oder CDUler Hinweise, dass er oder sie gegen Wowereit stimmen würde?

Die SPD ist ja nicht gerade glücklich mit Wowereit. Ich habe den Eindruck, dass er nur noch so lange gehalten werden soll, bis die Nachfolge geklärt ist. Und auch beim Koalitionspartner CDU fragen sich doch viele zähneknirschend, ob das noch der Richtige ist.

Derzeit kann der CDU doch nichts besseres passieren, als einen Koalitionspartner zu stützen, der immer schwächer wird, während die Kritik an ihr selbst vorbei geht.

Ein Regierungschef, der eine derart schlechte Figur macht, zieht irgendwann die ganze Koalition nach unten. Klaus Wowereit hängt denen allen doch wie ein Mühlstein am Hals. Erfolgreich wird diese Regierung mit Wowereit nicht mehr.

Es gibt auch Wowereit-Kritiker, die sagen, dass Ihr Misstrauensantrag kontraproduktiv sei: Er schweiße die Koalition eher zusammen als dass er sie zum Wanken bringt.

Mit Taktieren muss irgendwann auch mal Schluss sein, auch in der Politik. Es geht irgendwann dann doch um Verantwortung. Verantwortung nämlich zu sagen: Bis hierher und nicht weiter, unabhängig von Bedenken, dass ein Misstrauensantrag möglicherweise die andere Seite enger zusammenrücken lässt.

Angenommen, der Misstrauensantrag wäre doch noch erfolgreich: Wie soll es danach weiter gehen? Nur einen neuen Regierungschef im Parlament bestimmen, möglicherweise mit neuer Mehrheit oder eine komplette Neuwahl des Parlaments?

Wenn Klaus Wowereit zurücktritt oder abgewählt wird, muss die Stadt entscheiden können, wer den Neuanfang übernehmen soll. Neuwahlen sind dann die klügste Lösung.

Sie wollen definitiv Neuwahlen und stünden nicht bereit, als Koalitionspartner einzuspringen, falls eine links dominierte SPD ohne Wowereit das Bündnis mit der CDU beenden will?

Ich sehe nicht, dass das ein Thema ist.

Sie haben Wowereit klares Versagen als Aufsichtsratschef vorgeworfen. Was hätten Sie denn anders gemacht?

Über die Jahre betrachtet gibt es viele grundlegende Fehler, die der Aufsichtsrat zu verantworten hat, vor allem bei den strategischen Grundlinien.

Welche genau?

Zum einen ist da die Frage der Konstruktion und der Planung, die immer wieder geändert wurde. Als Aufsichtsrat, der in jeder Sitzung zig Umplanungen genehmigt, hätte man sich irgendwann mal fragen müssen: Bleibt man im Zeit- und Kostenplan? Zweitens ist da der Aufbau der Flughafengesellschaft. Da ist doch kein vernünftiger Vorstand, keiner, der für Finanzen zuständig ist, noch nicht mal die Frage der Bauherrenschaft ist geklärt. Dann ist da die Frage, ob man nicht doch mit mit einem Generalunternehmer hätte arbeiten sollen, den man jetzt in die Haftung hätte nehmen können. Aber nein, man wollte ja lieber selber Bauherr sein.

Nun soll Matthias Platzeck den Job übernehmen. Haben Sie Hoffnung auf Besserung?

Ich habe das zuerst für einen Witz gehalten. Es bleiben doch die gleichen Personen im Aufsichtsrat. Das ist nicht die Lösung, die einen Neuanfang auf der Baustelle bringen kann.

Was würden Sie denn ändern?

Es wäre jetzt an der Zeit, einen klaren Schnitt zu machen, Geschäftsführung und Aufsichtsrat komplett auszutauschen und als Aufsichtsratschef einen echten Experten einzusetzen.

Wollen Sie wirklich, dass ein politikferner Fachmann den Aufsichtsrat leitet? Dann ist die politische Ebene doch nicht mehr am Drücker.

Man muss schlicht sagen, dass die Politik, die in den letzten Jahren am Drücker gewesen ist, es komplett vergeigt hat.

Das hätte die Neoliberalen in der FDP jetzt auch sagen können.

Ich sage nicht allgemeingültig, das die Politik es nicht kann. Aber für dieses Projekt - ich betone: für dieses eine Projekt - muss man das in aller Nüchternheit feststellen: Wenn wir das noch zu einem vernünftigen Ende führen wollen, brauchen wir Leute, die unbelastet sind. Denn die diejenigen, die da seit Jahren sitzen, müssten ja bei dem nötigen Richtungswechsel eingestehen, dass sie alles falsch gemacht haben.

Sie konzentrieren sich bei Ihrer Kritik auf Wowereit - CDU-Chef Frank Henkel, der auch schon gut ein Jahr im Aufsichtsrat sitzt, blieb unbehelligt. Warum?

Henkel spielt dort eine Nebenrolle. Im Aktiengesetz gibt Es die Regel, dass ein Aufsichtsratsmitglied für sein erstes Jahr gar nicht in Haftung genommen wird. Abgesehen davon sind die gravierenden Fehlentscheidungen nicht in den letzten Monaten gefallen. Klaus Wowereit hat die Sache seit Jahren für sich zur Chefsache erklärt - und dann muss er als Chef nun auch die Verantwortung tragen.

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