Flugverkehr und Tourismus in Berlin: Berufsoptimisten unter sich

Die Zahl der Fluggäste steigt zu Urlaubsbeginn deutlich auf 20.000 pro Tag. Das macht auch der Tourismusbranche Hoffnung. Aber ist sie berechtigt?

Menschen warten auf dem Flughafen vor dem Einchecken

Es geht voran, wenn auch langsam: Gäste in Tegel beim Einchecken Foto: ap

Als Berufsoptimist muss mensch ein bisschen betriebsblind sein, das gehört selbst in Coronazeiten dazu. Natürlich fällt auch der oberste Touristenwerber der Stadt in diese Kategorie – durchaus nicht unbegründet, schließlich ist die Zahl der BesucherInnen der Stadt in der letzten Dekade stets genauso steil gestiegen wie ein Flieger beim Start. Und doch klingt es irritierend, dass Burkhard Kieker am Mittwoch verkündete: „Kulturell gibt es in Berlin außer Theater und Oper fast alles wieder.“

Klar sind die Museen wieder offen, aber etwa Clubs – um deren Gäste Kieker jahrelang ebenso nachhaltig wie erfolgreich gebuhlt hatte – werden noch Monate, wenn nicht gar Jahre geschlossen bleiben. Gleiches gilt für mittlere und große Konzerte. Und ob Theater in diesem Jahr rentabel spielen können, ist völlig offen.

Kieker, offiziell Geschäftsführer der Berlin Tourismus GmbH, war nicht der einzige, der bei dieser Pressekonferenz in eine blühende Zukunft abhob. Eigentlich hatte Engelbert Lütke Daldrup geladen, der Flughafenchef. Denn dieser 1. Juli soll nicht weniger als der große Lift-off für das Flughafengeschäft nach der Coronabruchlandung sein.

Ab Juli fliegen wieder 36 Airlines von Berlin zu über 100 Zielen in 40 Länder, so die Zahlen der Flughafengesellschaft. „Wir sind auf den Weg in Richtung einer neuen Normalität“, sagte Lütke Daldrup, der als oberster BER-Bauherr natürlich auch nichts anderes sein kann als Berufsoptimist.

Engelbert Lütke Daldrup

„Wir sind auf den Weg in Richtung einer neuen Normalität“

Derzeit würden etwa 20.000 Fluggäste täglich auf den beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld abgefertigt, deutlich mehr als die mageren 1.000 im April auf dem bisherigen Höhepunkt der Coronakrise. Aber auch noch deutlich weniger als die rund 120.000 Passagiere, die sonst im Sommer jeden Tag Berlins Flughäfen nutzen. Und bis zur Landung in der neuen Normalität werde es noch dauern: Erst in drei bis vier Jahren, so schätzt der Flughafenchef, werde man den Stand von 2019 erreichen können. Das liegt auch daran, dass er bei den GeschäftskundInnen nur eine langsame Normalisierung der Zahlen erwarte.

Für die Fluggäste heißt das: Mensch kommt wieder hin und weg. Allerdings gilt es einiges zu beachten: In den Terminals gilt Mund-Nase-Schutz-Pflicht, zwei Stunden vor Abflug sollten die Passagiere da sein, damit es nicht zu Gedränge kommt. Der Flughafenchef empfiehlt zudem, mit nur einem Handgepäckstück zu reisen. Und da die Auslastung der Flugzeuge im Schnitt derzeit bei lediglich 60 Prozent liege, sei die Chance durchaus vorhanden, dass ein Mittelplatz frei und das Infektionsrisiko so niedriger bleibe.

Apropos Risiko: Gut einen Monat nach der auch von Lütke Daldrup nachdrücklich geforderten „vorübergehenden“ Schließung von Tegel ist der Flughafenchef überzeugt, dass dessen Offenhaltung doch richtig war: „Mit 30.000 Gästen, wie wir sie für Ende Juli erwarten, wäre Schönefeld unter Coronabedingungen überlastet gewesen“, sagte er auf Nachfrage.

Der BER soll in vier Monaten öffnen

In genau vier Monaten soll dann der BER – knapp zehn Jahre verspätet – an den Start gehen. Dessen Fläche ist vier mal größer als die der beiden anderen Flughäfen zusammen, was für mehr Sicherheit bei der Abfertigung der Passagiere angesichts der Hygienevorgaben sorge. Wer noch nicht glaubt, dass der BER wirklich öffnet, kann sich immer noch für den Testbetrieb, der in einer Woche startet und bis Oktober dauert, als eine von 9.000 KomparsInnen bewerben – und vielleicht ein bisschen Optimismus lernen.

Schließlich könnte auch finanziell alles ein bisschen besser kommen als befürchtet: 300 Millionen Euro Finanzspritze für die Ausfälle durch Corona soll die Flughafengesellschaft erhalten von ihren Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und dem Bund. 50 bis 60 Millionen Euro davon will soll die Gesellschaft selbst erarbeiten, etwa durch Einsparungen, kündigte Lütke Daldrup an. Ob das klappt, werde am Ende des Jahres klar sein.

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