Förderung von Bildungsaufsteigern: Uni Münster ohne Arbeiterkinder

Die Studierenden in Münster wollen die Interessenvertretung für Bildungsaufsteiger aufwerten. Die Leitung der Universität stellt sich quer.

Bleibt in Münster eine Baustelle: Die Förderung von sogenannten Bildungsaufsteigern. Bild: dpa

BERLIN taz | Sind Arbeiterkinder eine Gruppe, die an der Uni eine eigene Interessenvertretung braucht? An dieser Frage entzündet sich derzeit ein Streit zwischen der Studentenvertretung und dem Rektorat der Universität Münster. Nein, lautet die Antwort der Hochschulleitung. Sie hat jetzt einen Beschluss des Studentenparlaments aufgehoben, wonach Studierende aus bildungsfernen Elternhäusern ein festes Referat innerhalb des Asta bekommen sollten.

Auf den ersten Blick erscheint der Streit wie ein Detailkrieg aus den Wirren der Hochschulpolitik – würde er nicht offenbaren, wie schwer Universitäten das Eingeständnis fällt, dass Bildungschancen ungleich verteilt sind.

Im konkreten Fall geht es um das „Referat für finanziell und kulturell benachteiligte Studierende“ (Fikus), das bisher erste und einzige Arbeiterkinder-Referat deutschlandweit. Aus den Semesterbeiträgen der Münsteraner Studierenden bekommt das seit 2003 bestehende Referat im Jahr 4.800 Euro, um für die Belange der Studenten erster Generation zu kämpfen.

Realschule statt Cicero

„Die Probleme, mit denen Arbeiterkinder ins Referat kommen, können meistens von den anderen Einrichtungen nicht aufgefangen werden“, sagt Andreas Kemper, der Fikus einst initiiert hatte. Der Latein-Nachweis etwa werde in vielen Studiengängen verlangt, fehle aber Studenten aus bildungsfernen Elternhäusern häufig. Ihr Weg an die Uni führte oft über Realschule oder Berufsausbildung und nicht über Caesar und Cicero.

Jetzt, nach rund zehn Jahren, wollte das Studierendenparlament den Status des Arbeiterkinder-Referats besser absichern. Als sogenanntes autonomes Referat sollte es fester in der studentischen Selbstverwaltung verankert werden, neben den Referaten für Frauen, Behinderte, Schwule und Lesben. Es könnte künftig nur noch mit Zweidrittelmehrheit vom Studentenparlament wieder abgeschafft werden.

Genau diese Aufwertung hat die Uni-Leitung blockiert. Als Rechtsaufsicht muss sie die Beschlüsse des Studierendenparlaments absegnen. In einem Schreiben an den Asta heißt es nun: „Nach Ansicht des Rektorats ist nicht hinreichend bestimmbar, wer als ’finanziell und kulturell benachteiligter‘ Studierender anzusehen ist.“ Das Referat werde daher nicht genehmigt.

Der Diskussion ausweichen

„Es lässt sich nicht klar definieren, wer Adressat dieses Referates sein soll“, sagt Uni-Sprecher Norbert Robers der taz. „Ab wann ist jemand kulturell oder finanziell benachteiligt? Ist jemand, der schwerhörig ist, auch kulturell benachteiligt?“

Doch haben Soziologen längst Indikatoren, um die soziale Herkunft genau zu messen – etwa über den Bildungsabschluss der Eltern oder deren Beruf. Referatsgründer Kemper beklagt, das Rektorat weiche der Diskussion aus, nach welchem Kriterium der Kreis der Studenten aus bildungsfernen Familien bestimmt werden könnte. Die Haltung des Rektorats empfinde er als herablassend: „Das ist die Form von Diskriminierung, die dazu führt, dass immer weniger Arbeiterkinder studieren.“

Auch Asta-Vorsitzender Christian van Bebber ist empört: „Mir drängt sich der Verdacht auf, dass ein solches Referat politisch nicht gewollt ist.“ Immerhin hat die Hochschulleitung dereinst sogar ein autonomes Referat für Sportler durchgehen lassen. Dabei sind die, vom Profibasketballer bis zum Gelegenheitsradfahrer, ebenfalls eine schwer zu definierende Gruppe.

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