Französische Serie auf Arte: Außer Kontrolle

Tollpatsche hinter den Kulissen der Macht: Die Polit-Comedy „Unter Kontrolle“ macht alles richtig und stellt klar: Deutsche bleiben unter den Opfern.

Eine Frau und ihre Mitarbeiter:innen werden vor einem Schreibtisch porträtiert

Marie Tessier (Léa Drucker) wird der Job als Außenministerin angeboten. Sie nimmt's entspannt Foto: Foto: Jean-Claude Lother/ARTE

Neulich habe ich geträumt, ich sei zur Außenministerin ernannt worden und müsse sehr schnell den ein oder anderen politischen Brandherd löschen. Ich wachte schweißgebadet auf, Laken und Kissen waren zerwühlt und das Herz pumperte bis in die Mittagsstunden hinein. Man möchte eben nicht tauschen mit den realen Amtsinhaber:innen, ahnt, wie nervenaufreibend dieser Job sein muss, und haut doch relativ schnell Hohn und Spott raus, wenn was schief geht, beim Verhandeln um Weltfrieden und Ländergrenzen.

Das internationale Parkett ist eben nur morsches Gebälk über brodelnder Lava; und glücklich darf sich schätzen, wer ohne Ehrgeiz im Kampf um Posten und Status ist und Nachrichten lieber nur guckt anstatt sie selber zu machen. Die französische Comedy-Serie „Unter Kontrolle“ nimmt sich in sechs Folgen vor, den ganzen Irrsinn rund um dieses spezielle politische Amt vorzuführen. Und wenn ich vorgreifen darf: Das Unterfangen gelingt!

Der Schriftsteller Charly Delwart (sein Buch „Leben in Zahlen“ ist auch auf Deutsch erschienen) hatte die Idee zu dem Projekt und ließ sich inspirieren, vom US-amerikanischen Sitcom-Format „Veep“, das den Alltag einer fiktiven US-Vizepräsidentin abbildet. Warum, so der Plan, nicht das Herumstochern in Krisenherden aus europäischer Sicht erzählen: „Unter Kontrolle“ begleitet die Ärztin Marie Tessier (gespielt von der wundervollen Léa Drucker, die bisher eher in dramatischen, ernsten Rollen zu sehen war) über ihren Weg vom einer humanitären NGO zur eher zufällig ernannten Außenministerin Frankreichs, bis in einen Karriereknick hinein.

Ohne Ahnung vom Posten zu haben, aber ausgestattet mit viel Menschenfreundlichkeit, Ambition und gutem Willen, ist ihre erste Amtshandlung, das Verhandeln mit Entführern in der Sahel-Zone, die fünf Europäer unterschiedlicher Nationalitäten in ihrer Gewalt haben und ein erhebliches Lösegeld fordern. Ihr zur Seite gestellt ist ihr Kabinettschef (Samir Guesmi), der mit ihr durch Dick und Dünn geht, jedoch immer wieder überfordert ist von ihren Schnellschüssen und Fehlleistungen.

Hemmungslos unempathisch

Tessier, selber zunehmend gestresst und hineingezogen in nervenaufreibende Verhandlungen und Absprachen mit europäischen Amtskolleg:innen, die ihrerseits um die Freilassung der eigenen Landsleute kämpfen, tappst fassungslos, mit halboffenen Mund, in ihrer neuen Realität herum. Welche Geisel ist wie viel Geld wert und warum? Über diese und ähnliche Fragen wird am Rande internationaler Panels hemmungslos unempathisch debattiert.

Der deutsche Gefangene sei, so wird z. B. argumentiert, immerhin ein bekannter Regisseur und müsse allein aus Publicitygründen schnell befreit werden, was mit dem bösen Satz: „Es gibt keine bekannten deutschen Regisseure!“ zurückgewiesen wird. Mit irrem Wortwitz und einer hierzulande oft schmerzlich vermissten Gag-Dichte bollert sich die Hauptfigur hektisch durch ihr Amt, wobei ihr ständig private Probleme in die Quere kommen.

Äußerlich und innerlich immer zerzauster wirkend, unterlaufen ihr peinliche Fehler. Auch die Entführer werden satirisch vorgeführt, wenn sie, in einer merkwürdig durchorganisierten Wüsten-Bürostruktur festhängend, das Chaos, das Tessier während der Verhandlungen anrichtet, nicht fassen können. Warum fließt das Lösegeld nicht? Das hat doch sonst immer so gut geklappt?

Das systematische Verschleppen und Freilassen von Geiseln gegen Cash als Geschäftsprinzip, von dem, wenn es gut läuft, durchaus alle Seiten politisch und wirtschaftlich profitieren können, wird hier aus romantisch-humanitären Gründen durchkreuzt und verursacht Chaos auf allen Seiten. Dass Tessier zum Schluss, mittlerweile zur Sportministerin degradiert, alle Kohlen doch wieder aus dem Feuer zu holen vermag, ist ihrer Unerschrockenheit und Wut auf Männer mit Macht und Hybris zu verdanken.

ab 27. 9. in der Arte-Mediathek und ab dem 5. 10 im Programm.

„Unter Kontrolle“ ist atemlos und wunderbar furchtlos erzählt. Lediglich 30 Minuten dauert eine Episode – eine weise Entscheidung der Showrunner, weil man zwischendurch dringend Atempausen benötigt. Tolle Dialoge, ein Spitzenensemble – europäische Außenpolitik wurde noch nie schöner verkackeiert!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.