Friedensaktivist über Montagsdemos: „Höchst problematisches Spektrum“

Otmar Steinbicker warnt vor einer Unterwanderung der Friedensbewegung durch Neurechte und Verschwörungstheoretiker.

Der friedensbewegte Montagsdemonstrant Ken Jebsen im Jahr 2013. Bild: imago/florian schuh

taz: Herr Steinbicker, warum wollen Sie nicht am 13. Dezember mit Sahra Wagenknecht und Reinhard Mey für den Frieden demonstrieren?

Otmar Steinbicker: Gegen die beiden hätte ich ja gar nichts. Aber so, wie die Demonstration geplant ist, will ich mich daran nicht beteiligen.

Haben Sie Probleme damit, dass die neue Friedensbewegung den Bundespräsidenten zum Adressaten ihres Protestes erkoren hat?

Die Äußerungen von Herrn Gauck in den letzten Monaten zu Fragen von Krieg und Frieden sind auf jeden Fall zu kritisieren. Eine solche Kritik kann auch in Form einer Demonstration vorgetragen werden. Das ist nicht mein Problem.

Was denn dann?

Ich habe bereits im Frühjahr dieses Jahres sehr eindringlich auf die Gefahr rechter Unterwanderung der Friedensbewegung durch die sogenannte Mahnwachenbewegung hingewiesen. Das manifestiert sich jetzt in den „Friedenswinter“-Aktionen. Da will ich nicht mitmachen.

Was haben Sie denn dagegen, wenn sich die alte mit der sogenannten neuen Friedensbewegung verbindet?

In der Mahnwachenbewegung gibt es ein höchst problematisches Spektrum. Das macht sich an Personen wie Ken Jebsen oder Lars Mährholz fest. Beiden wird aus meiner Sicht zu Recht der Vorwurf gemacht, neurechte Verschwörungstheoretiker zu sein. Mit solchen Leuten möchte ich nichts zu tun haben.

62, ist Journalist, gibt das Friedensmagazin http://www.aixpaix.de heraus und war von 2003 bis 2009 Vorsitzender des Vereins Aachener Friedenspreis.

Das sehen viele Ihrer alten Mitstreiter offenkundig anders: Die rufen gemeinsam mit Jebsen und Mährholz zu der Demo zum Schloss Bellevue auf …

Unter dem Berliner Aufruf stehen zweifellos auch die Namen honoriger Menschen. Leider sehen sie die Problematik nicht in der Schärfe, wie ich sie sehe. Mit vielen habe ich jahrzehntelang gut zusammengearbeitet. Nun erhoffen sie sich eine Stärkung der Friedensbewegung durch neu hinzukommende Leute aus der Mahnwachenbewegung. Ich halte das für einen Irrweg.

Machen Sie das auch inhaltlich an dem Aufruf selbst fest?

Der Aufruf ist sicherlich diskussionswürdig. Er enthält einige Einseitigkeiten, die auch von mehreren Friedensorganisationen kritisiert werden. Sie betrachten ihn als zu russlandfreundlich. Mir geht es aber bei meiner Ablehnung der Aktion Friedenswinter nicht vorrangig um den Text des Aufrufs, sondern um die damit erfolgte Öffnung der Friedensbewegung nach rechts. Das ist für mich das größere Problem.

Welche Konsequenzen haben Sie aus Ihrer Kritik am Friedenswinter gezogen?

Ich kann nicht in einem Zusammenschluss sein, der mit Leuten zusammenarbeitet, die Verschwörungstheorien anhängen und neurechte Positionen vertreten. Deswegen habe ich jetzt die bundesweite Kooperation für den Frieden verlassen. Das ist sicherlich schade. Aber ich habe in meiner jahrzehntelangen friedensbewegten Arbeit festgestellt: Glaubwürdigkeit ist im Zweifelsfall wichtiger, um Menschen zu überzeugen, für zivile Konfliktbearbeitung statt militärische Aktionen einzutreten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.