„Friedensdemonstration“ in Berlin: Wagenknecht vor ihrer Klientel

Tausende demonstrierten gegen Aufrüstung und für Frieden in Berlin. Sorgen, mit wem man sich gemeinmacht, sind anscheinend nicht so groß.

Frau gestikuliert vor Friedenstaube

Sahra Wagenknecht während ihrer Rede vor der „Friedensdemonstration“ verschiedener Initiativen auf dem Platz des 18. März Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN taz | Trotz Schneeregens und Temperaturen um den Gefrierpunkt sind viele dem Aufruf zur Friedensdemonstration gefolgt. Unter dem Motto „Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen – Zukunft friedlich und gerecht gestalten“, versammelten sich am Samstag um 13 Uhr laut Polizeisprecherin über 10.000 Teilnehmende. Die Veranstalter sprachen von 20.000. Die Auftaktkundgebung fand am Platz des 18. März vor dem Brandenburger Tor statt. Dort sprach Sahra Wagenknecht, die gerade ihre eigene Partei aufbaut. Später lief der Aufzug noch durch das Regierungsviertel und hielt eine weitere Kundgebung vor dem Brandenburger Tor ab.

Wagenknecht verurteilt den Vorstoß von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen wolle und kritisiert die Politik der Ampelkoalition scharf. Obwohl es im Aufruf vor allem um ein Ende des Ukraine-Kriegs ging, war der Krieg in Gaza ebenfalls zentrales Thema auf der Demo.

Sahra Wagenknecht sagte: „Ich denke, ich kann für alle auf dem Platz sprechen. Wir alle waren am 7. Oktober entsetzt und schockiert über die furchtbaren Massaker der islamistischen Hamas, über die Morde an unschuldigen Zivilisten, an Frauen und an Kindern.“ Nichts, kein Unrecht dieser Welt, rechtfertige solche Verbrechen. Doch sie kritisierte das israelische Vorgehen im Gazastreifen: Ebenso schockiert und entsetzt müsse auf „rücksichtslose Bombardements im Gazastreifen“ geblickt werden, findet sie. Zu glauben, dass Bomben den islamistischen Terror schwächten oder jüdisches Leben schützen würden, sei „absurd“.

Sahra Wagenknecht und die Autorin Gabriele Krone-Schmalz gehören zu den In­itia­to­r*in­nen der Kundgebung, zu der auch die Linken-Politiker Gregor Gysi und Dietmar Bartsch, der frühere SPD- und Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine sowie zahlreiche Gewerkschafter-, Autor- und Künstler*innen, unter anderen Hannes Wader, aufriefen. Das Bündnis hatte deutschlandweit mobilisiert. Mit Bussen und Zügen reisten Demonstrierende aus Dresden, München und Bonn an.

Auch die Linke zeigt Fahne

Besonders für die Linke sei es wichtig, auf der Demo „Fahne zu zeigen“, sagte Felix Ehrenberg, Parteimitglied der Linken zur taz, und machte es gleich vor: An einem langen Holzstab hob er die Parteiflagge über den Demonstrationszug, trotz Bitte der Veranstalter, auf Parteifahnen zu verzichten. Friedenspolitik und Antifaschismus seien beides Säulen der Linken Partei.

Neben den typischen Friedensfahnen – weiße Taube auf blauem Grund – wehten zahlreiche Gewerkschaftsfahnen über der Menschenmenge.

Christine Kohl, Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), sagte: „Alles, was jetzt zählt, sind Abrüstung und Friedensverhandlungen“. Die Berliner Lehrerin war am Samstag mit dem „Gewerkschaftlichen Ratschlag gegen Aufrüstung und Krieg“ auf der Kundgebung. „Wir wollen, dass es den Menschen gut geht, und das bedeutet auch weniger Kosten für Rüstung“, sagte Kohl. Stattdessen brauche es zum Beispiel mehr Geld für Bildung und Schulen.

Die Veranstalter hätten klar ihr Zeichen setzen können für ihre Anliegen von Waffenstillstand, Diplomatie und dem „Sozialkrieg“, sagte der Veranstaltungsleiter Reiner Braun der taz. Von der hohen Teilnehmerzahl und der guten Stimmung seien sie positiv überrascht. Für ihre Verhältnisse seien die Demonstrierenden erstaunlich jung, sagte Veranstalter Braun. Im insgesamt älteren Publikum tragen die jüngeren Teilnehmenden auffällig oft Plakate, die sich für die Freiheit Palästinas solidarisieren. Obwohl Landesflaggen zu Hause bleiben sollten, waren einige Palästina-Flaggen und mehrfach Deutsch-russische-Freundschaft-Flaggen sichtbar.

Sorgen, mit wem man sich gemein macht, sind auf der Friedensdemonstration anscheinend nicht so groß. Ebenfalls wehten viele Flaggen der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschland (MLPD).

Sicherlich stimme die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz nicht mit der politischen Meinung aller Teilnehmenden überein, aber deshalb nicht auf der Kundgebung zu reden, halte sie für dumm, sagt sie. Bereits im Februar, zum Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine, sind 10.000 Demonstrierende Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzers Aufruf zum sogenannten „Aufstand für den Frieden“ zum Brandenburger Tor gefolgt. Damals versammelten sich zahlreiche Gruppen aus dem Querdenkerspektrum.

Auch rechte und rechtsextreme Akteure, wie Jürgen Elsässer, Chefredakteur des Compact-Magazins, nahmen teil. Anders als damals grenzt sich die Bewegung vorab stärker von rechten Akteuren ab. Die Veranstalter schrieben in ihren Aufruf, alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit hätten auf der Demo keinen Platz und deshalb gebe es „keine Zusammenarbeit mit der AfD und anderen rechtsextremen Kräften“. Insgesamt verlief die Demo friedlich, vergleichsweise gering war die Polizeipräsenz. Laut Polizeisprecherin waren etwa 230 Kräfte im Einsatz.

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