Friedrich Merz im Kulturkampf: Für den billigen Erfolg

Der CDU-Chef bezeichnet die Grünen als „Hauptgegner“. Das ist aber nur der Gipfel eines fehlgeleiteten Kulturkampfes, der letztlich nur der AfD nützt.

Nahaufnahme Friedrich Merz

Ist sich für kein Grünen-Bashing zu schade: Merz Foto: Jens Büttner/dpa

Als Reaktion auf die Wahl des bundesweit ersten Landrats der AfD in Thüringen hat CDU-Chef Friedrich Merz die Grünen zum Hauptgegner der CDU ausgerufen. Ausgerechnet in Kiel, wo seine Partei ganz erfolgreich mit den Grünen regiert. Merz’ Einlassung dürfte auch in den anderen fünf Ländern, in denen CDU und Grüne zusammenarbeiten, nicht gut ankommen. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein etwa will wohl nach der Wahl im Oktober das Bündnis mit den Grünen gerne fortsetzen. Leichter macht Merz das nicht.

Auch mit Blick auf den Bund leuchtet dessen Einlassung nicht ein. Die CDU will zurück an die Macht, dafür ist ein Bündnis mit den Grünen eine wichtige Option. Sonst bleibt nur eine Große Koalition. Dass die CDU überhaupt einen Hauptgegner ausrufen muss, zeugt zudem nicht gerade von Selbstbewusstsein. Aber dass die Partei nicht von der schlechten Performance der Ampel profitiert und die AfD laut Umfragen in vielen ostdeutschen Ländern stärkste Kraft werden könnte, ist eben nicht gut für das Selbstwertgefühl.

Man könnte das alles als innerchristdemokratisches Problem ansehen wie auch die sich anbahnenden Machtkämpfe um die Kanzlerkandidatur und die „Agenda für Deutschland“, das neuste Papier, das dazu verleitet, es mit „AfD“ abzukürzen. Doch Merz’ Einlassung deutet auf ein tiefer liegendes Problem. Und das ist gefährlich. Nicht nur für die CDU, sondern auch für die Demokratie.

Dabei geht es nicht darum, dass die CDU die Grünen nicht kritisieren, sich an ihnen abarbeiten oder als politischen Gegner ausmachen soll. Das ist richtig und wichtig, es ist ihr Job als Oppositionspartei. Auch darf sich die CDU gerne konservativ aufstellen, mit Posi­tionen, die Linken und Linksliberalen nicht gefallen. Im demokratischen Par­teienspektrum ist das ihre Aufgabe.

Dieses Framing ist gefährlich: Wenn die demokratische CDU so spricht, dann kann es so falsch ja nicht sein

Die entscheidende Frage ist, wie sie das macht.

Seit einer Weile ist – etwa hinsichtlich der Grünen – eine Verschärfung des Diskurses auszumachen. Da werden die Grünen nicht nur für die Spaltung der Gesellschaft verantwortlich gemacht, da wird ihnen eine „Volkserziehungsattitüde“ (Friedrich Merz) attestiert, die Schaffung von „Verschwörungstheorien“ unterstellt (Mario Czaja), oder sie sind gleich die „Heizungs-Stasi“ (Mario Voigt). Die Grünen würden so zur Gefahr für die Meinungsfreiheit – und die Demokratie. Mit diesem Framing arbeitet auch die AfD, besonders mit Blick auf die Grünen, aber eigentlich auf alle, die sie „Altparteien“ nennt. Auch das hat die extrem rechte Partei zu ihrem Erfolg gebracht.

Man mag das spitzfindig finden, aber dieses Framing ist gefährlich. Denn was ankommt, ist: Wenn die demokratische CDU so spricht, dann kann es so falsch ja nicht sein. Das normalisiert die radikale Rechte. „Mainstreaming“ nennt das die Wissenschaft. Zahlreiche Studien mit Blick auf Deutschland und andere europäische Länder zeigen zudem: Es zahlt nicht bei der CDU oder anderen Mitte-rechts-Parteien ein. Sondern bei denen am rechten Rand.

Abschüssiges Gelände

Lange schien es so, als würde sich die CDU vor Kulturkämpfen hüten – auch wenn diese zunächst billigen Erfolg versprechen. Doch auch hier verschiebt sich etwas. Das Gendersternchen scheint für manche CDU-Politiker zur Obsession zu werden, verkehrspolitische Debatten werden zum Kulturkampf fürs Auto hochgejazzt, vegetarische Gerichte in Kitas oder Kantinen zu einem fürs Fleisch – vom Desaster ums Heizungsgesetz mal ganz zu schweigen.

Als „abschüssiges Gelände“ hat der Politikwissenschaftler Thomas Biebricher, der gerade eine Untersuchung zur Rechtsdrift von konservativen Parteien in Europa vorgelegt hat, solche Debatten bezeichnet. Weil es dabei immer ums Ganze gehe und Kompromisse kaum möglich seien, nützten sie mittelfristig den radikalen Rechten. Mit Blick etwa auf Großbritannien und die USA rät Biebricher der CDU dringend, die Finger davon zu lassen.

Natürlich ist Merz weder Johnson noch Trump, und das sollte ihm auch niemand unterstellen. Auch sind wir von Verhältnissen wie in den USA und Großbritannien weit entfernt. Aber die Lage in Ostdeutschland ist brisant.

Im kommenden Jahr wird in Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein neuer Landtag gewählt, laut Umfragen könnte die AfD stärkste Kraft werden. Wis­sen­schaft­le­r*in­nen sehen in diesen drei Wahlen mögliche „Kipppunkte“. Ihre Analyse: Die Demokratie befinde sich in der Klemme zwischen extrem rechten Parteien und einem hohen Bedürfnis der Bevölkerung nach Autorität insgesamt. Das sollte allen De­mo­kra­t*in­nen eine Warnung sein. Aber die CDU muss jetzt die Grenze zur extremen Rechten abdichten. Auch in ihrem eigenen Interesse.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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