Erfolgreicher Protest gegen Tierfabriken: Suckwitz ist überall

Immer mehr Menschen organisieren sich gegen Tierfabriken. Jugendliche thematisieren vor allem das Leid der Tiere und ihre fabrikmäßige Tötung.

Fleischverzehr war schon immer eine blutige Angelegenheit Bild: dpa

Namen wie aus dem Bilderbuch: Kuppentin, Dielmissen, Zschepplin, Krippehna, Oldisleben, Suckwitz. Es sind völlig unbekannte Dörfer, die aus der Anonymität herausgerissen, plötzlich zu siegreichen Kampfplätzen eines neuen Bürgerengagements werden.

In Kuppentin ist eine Hähnchen-Mastanlage für 130.000 Tiere gerichtlich stillgelegt worden. In Dielmissen zog der Landkreis die Reißleine und versagte die Genehmigung für eine ähnlich große Hühnerfabrik. In Zschepplin hat das Oberverwaltungsgericht eine riesige Schweinemastanlage für 11.000 Tiere ausgebremst. Und so weiter.

Glaubt man der Buchführung des Netzwerks Bauernhöfe statt Agrarfabriken, dann sind allein in den letzten drei Monaten republikweit neun Tierfabriken gestoppt worden. Seit seiner Gründung vor vier Jahren habe das Netzwerk, so sein Initiator Eckehard Niemann, 50 große Mastanlagen konkret verhindert.

Zählt man noch die vielen Projekte dazu, bei denen die dänischen, holländischen oder deutschen Investoren schon vor der Antragstellung wegen der anschwellenden Bürgerproteste kapitulierten, dann hat die neue Bewegung gegen die Massentierhaltung schon mehr als 100 Tierfabriken vereitelt.

Anwälte sind inzwischen Experten für Massentierhaltung

„Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg“, sagt Niemann. Motiviert durch die Siege vor Gericht, bei den Behörden und in der Politik, sind bundesweit inzwischen rund 200 Bürgerinitiativen gegen Tierfabriken entstanden. Sie werden nicht nur immer mehr. Sie werden auch immer schlauer, kompetenter und damit erfolgreicher.

Ihre Anwälte und Gutachter haben sich inzwischen zu wahren Experten für Massentierhaltungsanlagen entwickelt. Das Internet sorgt für die nötige Vernetzung, ein wöchentlicher Newsletter informiert über neueste Erfolge und niederträchtige Antragsteller. Und mit dem neuen Bundesbaugesetzbuch sowie den verschärften Vorschriften zum Brandschutz und zur Keimbelastung hat sich die Gesetzeslage deutlich zugunsten der Bürgerproteste verschoben.

Aber ausgerechnet beim derzeit erfolgreichsten Bürgerengagement in Sachen Umwelt und Tierschutz sieht man so gut wie keine Jugendlichen. „Junge Leute sind hier eher die Ausnahme“, sagt Niemann. Vor allem Bürger mittleren Alters würden die Proteste tragen und vor Ort die Arbeit machen. Mit ihrer Vegetarismus-Welle liefern die Jungen allerdings eine Art ethisch-kulinarischer Begleitmusik.

Die Jugendlichen thematisieren in den Versammlungen vor allem das Leid der Tiere und ihre fabrikmäßige Tötung im Akkord. Initiatoren der Bürgerinitiativen vor Ort sind aber oft ältere Hausbesitzer, die den Wert ihres Grundstücks bedroht sehen, wenn in der Nähe eine Tierfabrik gebaut werden soll. Dazu kommen der Gestank, der Lkw-Verkehr, der Imageverlust des Ortes.

Neue zivilgesellschaftliche Strukturen entstehen

Die anderen Argumente, wie das Tierleid, die Verfütterung von Sojaimporten aus Südamerika und Asien oder die Billigexporte von EU-Fleisch nach Afrika – die kommen dann mit der Zeit fast automatisch dazu. Kernregionen des erstarkten Bürgerengagements sind Niedersachsen und vor allem die ostdeutschen Bundesländer.

In Ostdeutschland hat Niemann die Spuren einer neuen Zivilgesellschaft entdeckt. Die ist offenbar nicht mehr bereit, sich die Heimat von den Massentierhaltungsanlagen zuscheißen zu lassen. Die Versprechen von neuen Arbeitsplätzen haben ihre Glaubwürdigkeit weitgehend verloren, seitdem klar ist, dass vor allem Fütterungsautomaten und einige wenige Mitarbeiter die Fleisch- und Eierfabriken managen.

Schlechte Perspektiven also für die antibiotika-abhängige Massentierhaltung in den großen Agrarfabriken. Die Akzeptanz ist dahin! Mit BUND und Nabu, dem Tierschutzbund, der evangelischen Entwicklungshilfe und der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft stehen protesterprobte Organisationen hinter den Bürgerengagements, die neben ihrer inhaltlichen Unterstützung auch Geld für Prozesse und Gutachten zuschießen. „Jetzt müssen wir uns nur noch mit den Bürgerinitiativen im Ausland vernetzen“, sagt Niemann.

Manfred Kriener, Artikel erschienen in der Ausgabe zeo2 04/13

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