Fußball-WM 2014 in Brasilien: "Hier ist alles möglich"

Warum mit der Vergabe der Fußball-WM 2014 nach Brasilien ein korruptes Verbandssystem gestützt wird und die Fans kaum profitieren. Juca Kfouri, Sportjournalist aus São Paulo, verrät es.

Pele kriegt nach der WM-Vergabe Küsse, die Bevölkerung wird 2014 leer ausgehen Bild: dpa

taz: Herr Kfouri, freuen Sie sich auf die Fußball-WM 2014 in Brasilien?

Juca Kfouri: Ich würde mich gerne freuen, aber bei den Leuten, die das organisieren, kann ich das einfach nicht. Die sind eher Anlass zur Sorge.

Warum?

Vor nicht einmal sieben Jahren wurde unser Verbandschef Ricardo Teixeira von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss schwer belastet. Noch heute laufen Prozesse gegen ihn. Es ist erstaunlich, welche Rolle er bis zur WM spielen wird und dass es noch Leute gibt, die meinen, dass bei einem Großereignis, bei dem so viel Geld im Spiel ist, alles transparent zugehen könnte.

Warum steht Teixeira jetzt so glänzend da?

Das hat er der Regierung Lula zu verdanken. Zunächst verabschiedete sie zwei Gesetze mit sehr scharfer Rhetorik gegen die Vereinsbosse. Sechs Monate später lag sie wegen eines Freundschaftsspiels der Seleção in Haiti (als Werbung für den Einsatz der brasilianischen Soldaten im Rahmen der UNO-Mission 2004; d. Red.) in den Armen Teixeiras, und seitdem hat sie seinen Arm nie mehr losgelassen. Er hatte niemals zuvor so viel Unterstützung von einem Präsidenten.

Warum hat sich Lula nicht mit der Fußballmafia angelegt?

Das war eine Überraschung für mich. Er hat ja gesagt, nie mehr werden die Fans wie Vieh behandelt, doch plötzlich gab es diese Metamorphose. Lula hat sich auch geweigert, in den wichtigsten Bereichen einen Bruch zu vollziehen, um das Vertrauen gewisser Kreise zu erhalten. Im Fußball, wo harte Einschnitte nötig gewesen wären, setzte er auf Versöhnung. Heute ist er fasziniert von dieser Welt der Fußballmächtigen. Da geht es wohl auch um Wahlkampfspenden, um Versprechungen von den großen Baunternehmen, die an der WM verdienen werden.

Die Kosten für die WM in Brasilien werden auf gut sieben Milliarden Euro geschätzt.

Ja, das wäre die Größenordnung wie 2006 in Deutschland, aber es ist gut möglich, dass es doppelt so teuer wird. Die Kosten für die Panamerikanischen Spiele in Rio haben sich ja verzehnfacht.

Es heißt immer, dank solcher Großevents würde die Infrastruktur verbessert. Wie war das denn in Rio 2007?

Keine Spur. Die Bucht von Rio sollte gereinigt, eine Metrolinie gebaut werden. Wenn sie das gemacht hätten, hätten sich die Spiele für Rio gelohnt. Natürlich gibt es für die WM Auflagen, aber ich bin sehr misstrauisch.

Andererseits gehen fast alle Erträge an die Fifa. Lässt sich daran nichts ändern?

Das hat man in Deutschland gesehen. Da war ja nicht mal das Bier deutsch, sondern amerikanisch, und noch schlecht dazu. Die Fifa übt eine imperiale Macht aus, es ist absurd, wie sich die Regierungen dem fügen.

Wenn es nach dem brasilianischen Fußballbund geht, soll die Regierung nicht einmal am Organisationskomitee beteiligt werden.

Hier ist alles möglich!

Was bringt die WM dem brasilianischen Fußball?

An unserem perversen Modell des Spielerexports wird sich wohl wenig ändern. Wir müssen unsere Realität berücksichtigen, wir können keine deutsche WM in Brasilien veranstalten. Das heißt: keine Stadien bauen, sondern nur die bestehenden erneuern. Dass es eine WM zu volksnahen Preisen sein soll, wie Sepp Blatter gesagt hat, kann ich nicht so recht glauben - es wäre das erste Mal seit langer Zeit. Wenn die WM-Tickets aber auf dem bisherigen Preisniveau bleiben, wäre in Brasilien der Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen.

Apropos Spielerexport: Bei Inter Porto Alegre gab es nach dem Weltpokalsieg 2006 den großen Ausverkauf. Jetzt kämpft der Verein gegen den Abstieg. Ein typisches Beispiel?

Ja, eigentlich darf der Fan gar nicht hoffen, dass seine Mannschaft zu gut wird, denn sonst werden die Leute woanders hellhörig und zerstören sie. Schon nach dem Sieg im Libertadores-Pokal wurde Inter bedrängt, und gute Spieler wanderten ab. Mit einem schwächeren Team wurden sie Weltpokalsieger, und danach war es vorbei. Das zeigt, wie pervers das Management im brasilianischen Fußball ist. Ein Weltpokalsieger, selbst wenn er zu den modernsten Clubs in Brasilien zählt, kann nicht mit mittelmäßigen europäischen Vereinen mithalten, denn dort sind die meisten Inter-Spieler gelandet.

Und wie stehts um Ihren Verein Corinthians São Paulo?

Weitaus schlimmer. Die haben sich mit der Russenmafia eingelassen und bezahlen jetzt dafür. Die Russen um Boris Beresowski haben Corinthians als Geldwaschanlage benutzt. Bis heute weiß man nicht, wie viel Carlos Tévez gekostet hat, der von Boca Juniors kam und über Nacht zu West Ham United ging.

Joseph Blatter hat gesagt, ein Corinthians-Untersuchungsausschuss wäre kein Hindernis für die WM.

Warum sollte man einem Blatter mehr vertrauen als einem Teixeira? Der hat zwei Wochen lang Lobby gegen den Untersuchungsausschuss gemacht, mit dem Argument, dies schade Brasilien. In Zürich sind zwölf Gouverneure um Teixeira herumscharwenzelt, und der hat ihnen sicher gesagt: Haltet eure Parlamentarier zurück! Leider stehen seine Chancen gut.

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