Gefahr durch Rechtsextreme: Fundament der Demokratie

Das Potsdamer Treffen Rechter zeigt, was auf dem Spiel steht. Es ist die Aufgabe der Politik, menschenfeindlich gesinnten Kräften nicht hinterherzulaufen.

Demonstration mit vielen Menschen.

„Alle zusammen gegen den Faschismus“, Großdemonstration in Rostock am 25. Januar Foto: Annegret Hilse/reuters

Es ist nicht lang her, da gab es im höchsten deutschen Parlament eine bemerkenswerte politische Forderung. Der Unionsabgeordnete Alexander Hoffmann erklärte im Herbst 2023 im Bundestag, dass der deutsche Staat Menschen mit einer doppelten Staatsbürgerschaft die deutsche Staatsangehörigkeit im Fall bestimmter Straftaten entziehen müsse. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sekundierte: „Wenn jemand mit einer doppelten Staatsbürgerschaft unsere Verfassungsgrundsätze missachtet, dann sollte er seinen deutschen Pass wieder abgeben.“ Bemerkenswert war nicht nur diese Forderung. Bemerkenswert waren auch die politischen und medialen Reaktionen: Es gab kaum welche. Und das ist ziemlich erstaunlich – oder sollte es sein.

Denn hier wurde nicht anderes als eine gesetzliche Unterscheidung von Deutschen und „Passdeutschen“ gefordert. Das bedeutet, dass man einem eingewanderten Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen darf, wenn er etwas falsch macht. Er ist nicht „echt“ deutsch und kann es auch nie werden. Egal, ob dieser Mensch in Deutschland geboren ist oder schon in zweiter oder dritter Generation in diesem Land lebt – er ist deutsch auf Zeit. Bis er einen Fehler macht.

In der AfD nimmt man solche „Vorschläge“ freudig auf – denn genau dort will man hin. Die Bundespartei forderte Ende Januar, man müsse „Hürden zum Entzug der Staatsbürgerschaft senken“, um „Kriminelle, Gefährder, Terroristen und Vergewaltiger“ trotz deutscher Staatsbürgerschaft abzuschieben. Wer „Kriminelle“ sind, was sie verbrochen haben müssen, um nicht mehr als Deutsche zu gelten – das entscheiden am Ende die, die regieren. Diese Unterscheidung zwischen Deutschen und „Passdeutschen“ ist der erste Schritt zu jenen Plänen, wie sie menschenfeindlich gesinnte Personen auf dem inzwischen berüchtigten Treffen in Potsdam schmiedeten.

Dass so eine Forderung, wie sie CDU und CSU verkündet haben, kaum auffällt, liegt daran, dass dieses rassistische Narrativ schon lange normal erscheint: Das Narrativ, dass das „Volk“ über dem Staat steht; und zu diesem „Volk“ schließlich kann nur gehören, wer ethnisch deutscher Abstammung ist. So deutlich sagt das natürlich außerhalb menschenfeindlich gesinnter Kreise niemand. Man fordert stattdessen Passentzug bei Gesetzesverstößen; man spricht von Vornamen von Silvesterstraftätern; man spricht von „gescheiterter“ Integration; man spricht von „importiertem“ Antisemitismus; man spricht von „Entwertung“ der deutschen Staatsangehörigkeit. Es gibt viele Wege, etwas zu sagen, ohne es zu sagen.

Menschenfeindlichkeit ist Kern rechter Parteien

In einer US-amerikanischen Studie aus dem Jahr 2020 kamen die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen zu dem Schluss, dass Donald Trump seinen Sieg im Jahr 2016 durch Normalisierung ebensolcher menschenfeindlicher Narrative erlangen konnte. Rassistische Denkmuster seien in der US-amerikanischen Gesellschaft in der Zeit zwischen 2012 und 2016 sogar zurückgegangen – durch die Normalisierung aber sei es Trump gelungen, Menschen zu mobilisieren. Nicht durch expliziten Rassismus. Sondern durch einen „verallgemeinernden Ethnozentrismus“, in dem bestimmte Minderheiten als „feindlich“ definiert werden.

Dass Menschenfeindlichkeit – Überraschung! – der Kern menschenfeindlicher Parteien ist, verwundert jene nicht, die das Treiben der AfD schon seit Jahren unter genau diesem Gesichtspunkt beobachten. Rassistische Aussagen der AfD, antisemitische Rhetorik, abwertende Sprache gegen Menschen mit Behinderung – viele mögen all das vergessen haben. Anderen hat es sich eingebrannt. Während die AfD für viele Menschen in Politik und Medien nie mehr als ein politischer Störfaktor war, wissen andere schon seit Jahren, was die logische Konsequenz dessen ist, was die AfD seit Jahr und Tag offen ankündigt. Olaf Scholz hat die AfD wiederholt als „Schlechte-Laune-Partei“ bezeichnet; andere fühlen sich aber existenziell bedroht. Als Correctiv die Recherche über das Treffen in Potsdam veröffentlichte, dachten viele: Merkt ihr jetzt, worum es hier geht?

AfD in Panik durch Proteste

Es geht um das Fundament einer Demokratie. Zu diesem Fundament gehört Vielfalt. Vielfalt bedeutet im besten Sinne: Ich verstehe, dass meine Art zu leben, zu denken, zu fühlen und zu lieben, eine von vielen ist. Dass mein Leben nicht besser, aber auch nicht schlechter als das anderer Menschen ist. Dass es keine Hierarchie menschlichen Lebens gibt. Vielfalt lehrt, Mitgefühl für das Denken und die Perspektive jedes Menschen zu haben, ganz gleich, welche politische Einstellung, welche Meinung, welche Religion, welche Ethnie, welche sexuelle Identität dieser Mensch hat. Vielfalt ist das Gegenteil von Spaltung und Polarisierung. Spaltung hingegen ist der Treibstoff einer jeden autoritären Kraft.

Hunderttausende Menschen haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass sie sich nicht spalten lassen wollen

Genau deswegen haben die bundesweiten massenhaften Proteste die AfD in Panik versetzt. Hunderttausende Menschen haben gezeigt, dass sie sich nicht spalten lassen (wollen). Verbundenheit ist das demokratische Gegengift zu antidemokratischen Kräften. Große Teile der Gesellschaft haben das getan, was Aufgabe von Politik und Medien sein sollte: Sie haben darauf aufmerksam gemacht, was diesem Land blüht, wenn es diesen Weg weiter geht. Wenn Po­li­ti­ke­r:in­nen nun die Bevölkerung loben, ist es wohlfeil. Es ist zuallererst ihre Aufgabe, die Demokratie zu bewahren. Es ist ihre Aufgabe, nicht menschenfeindlich gesinnten Kräften hinterherzulaufen, ihre Politik, ihre Sprache und ihr Denken zu übernehmen. Es ist ihre Aufgabe, nicht von „schlechter Laune“, sondern von Rassismus zu sprechen.

Menschenfeindlichkeit ist die Leiter, auf der autoritäre Kräfte zur Macht emporsteigen. Trump, Le Pen, Orbán, sie alle gehen denselben Weg. Sie wollen der Gesellschaft weismachen, dass Hass gegen Menschen normal sei. Das ist er nicht. Auch nicht, wenn er in Gesetzesvorschläge verpackt wird. Diese Normalisierung macht den autoritären Kräften den Aufstieg federleicht.

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Ausgebildet als Ärztin und Politikwissenschaftlerin, dann den Weg in den Journalismus gefunden. Beschäftigt sich mit Rassismus, Antisemitismus, Medizin und Wissenschaft, Naher Osten.

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