Geplanter Emissionshandel: „Verfassungsrechtlich sehr riskant“

Experten üben bei einer Anhörung scharfe Kritik am geplanten CO2-Emissionshandel. Sie bemängeln nicht nur die fehlende Wirksamkeit.

Rauch steigt aus Schornsteinen von Wohnhäuseren in Oberstenfeld in Baden-Würtemberg

Wie kann dieser CO2-Ausstoß verfassungsgemäß verteuert werden? Foto: imago-images

BERLIN taz | Wenn im Bundestag über neue Gesetze beraten wird, werden dazu stets Expert*innen angehört. Jede Fraktion darf mindestens einen benennen, und gewählt werden sie normalerweise so, dass sie zumindest grob die Position der Partei unterstützen. Dass sich die beiden Experten, die von der FDP und von der Linken vorgeschlagen wurden, komplett einig sind, kommt darum nicht gerade oft vor.

Beim geplanten CO2-Emissionshandel im Bereich Wohnen und Verkehr war es am Mittwoch aber der Fall: Stefan Klinski, von der Linksfraktion eingeladener Wirtschaftsjurist an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, und Thorsten Müller, der von der FDP vorgeschlagene Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, warnten, die Pläne der Bundesregierung seien voraussichtlich nicht verfassungskonform.

„Dieses Gesetz ist verfassungsrechtlich sehr riskant“, warnte Klinski die Mitglieder des Umweltausschusses. Und Müller erklärte in seiner Stellungnahme: „Dem Gesetzentwurf begegnen tiefgreifende verfassungsrechtliche Bedenken.“ Die Argumentation fällt bei beiden Juristen ähnlich aus: Der Staat dürfe nicht beliebig neue Steuern einführen. Der geplante CO2-Emissionshandel wirke in den ersten Jahren faktisch wie eine Steuer, weil er bis zum Jahr 2025 einen Festpreis pro Tonne CO2 vorsieht. Anders als beim europäischen Emissionshandel, der nur für Kraftwerke und Industrie gilt, sei zudem keine maximale Menge an Zertifikaten festgelegt.

Eine solche Begrenzung und die damit einhergehende Knappheit hatte das Bundesverfassungsgericht bei einer Entscheidung im Jahr 2018 aber explizit zur Bedingung für die Zulässigkeit des Emissionshandels gemacht. Zwar sei es theoretisch denkbar, dass die Verfassungsrichter ihre damaligen Vorgaben lockern und einen Festpreis für eine zeitlich begrenzte Einführungsphase akzeptieren, darauf setzt die Bundesregierung. Das halten die Juristen aber für wenig wahrscheinlich.

Steuer als rechtssichere Alternative

„Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bietet keine tragfähige Grundlage für die Annahme, das Konzept sei finanzverfassungsrechtlich zulässig“, sagt Klinski, der im Vorfeld zwei Rechtsgutachten zu dieser Frage verfasst hatte.

Eine solche Verfassungwidrigkeit würde das Gesetz zwar nicht aufhalten, weil eine Klage keine aufschiebenden Wirkung hätte. Allerdings könnten erhebliche finanzielle Belastungen auf den Bund zukommen, warnt Müller. Denn wenn bereits im Vorfeld verfassungsrechtliche Bedenken bestanden, könne das Gericht nicht nur die Unvereinbarkeit des Gesetzes feststellen, sondern die Nichtigkeit.

„Die Folge wäre die Pflicht zur Rückzahlung der eingenommenen Mittel“, so Müller in seiner Stellungnahme. Als rechtssichere Alternative schlagen die Experten vor, statt einem Emissionshandel mit Festpreis in der Anfangsphase auf eine Steuer zu setzen. Das sei durch eine CO2-bezogene Anhebung der bestehenden Energiesteuern problemlos möglich.

Bundesregierung zeigt sich unbeeindruckt

Die Bundesregierung lässt sich von der wachsenden Kritik aber nicht beeindrucken. „Ich vertraue auf die Einschätzung unserer Juristen, die das Gesetz für verfassungskonform halten“, sagte Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth (SPD) der taz.

Neben der Kritik an der rechtlichen Ausgestaltung gab es auch zahlreiche inhaltliche Einwände. Brigitte Knopf vom Klimaforschungsinstitut MCC erklärte, der Preis, der von 10 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021 auf 35 Euro im Jahr 2025 steigen soll, werde „kaum eine Lenkungswirkung entfalten“. Zum Erreichen der Klimaziele notwendig sei ein Einstiegspreis von 50 Euro im Jahr 2021, der bis 2030 auf 120 Euro ansteige. Für die Gewerkschaft IG BCE kritisierte Rolf Bartels, die Pläne als „sozial unausgewogen“.

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