Gesundheitsexpertin über Biontech-Fabrik: „Das Wissen bleibt bei Biontech“

Die neue Biontech-Impfstofffabrik in Ruanda hilft global gesehen nur wenig, sagt Melissa Schwarwey von Ärzte ohne Grenzen. Der Hersteller müsse Know-how teilen.

Annalena Baerbock schaut sich ein Modell der Biontech-Fabrik in Ruanda an.

Annalena Baerbock besucht die erste Biontech-Fabrik auf afrikanischem Boden Foto: Hannes P. Albert/dpa

taz: Frau Scharwey, wissen Sie, weshalb Biontech in Ruanda baut?

Melissa Scharwey: Bisher gibt es in Ruanda keine wichtigen großen pharmazeutischen Unternehmen oder Infrastruktur. In Südafrika wäre das anders. Dort wird an mRNA-Technologien gearbeitet. Eine Kooperation mit Biontech könnte den Wissenstransfer beschleunigen, aber bisher hat Biontech eine Kooperation abgelehnt. Aber am Ende ist es natürlich trotzdem gut, auch andere Länder zu fördern, die bisher noch nicht die Infrastruktur oder einen Markt haben.

ist Politische Referentin bei Ärzte ohne Grenzen für die Themen Zugang zu Medikamenten und Globale Gesundheits­politik.

Was bringt das für die Gesundheit vor Ort?

Für die ist es wichtig, dass so viele Impfstoffe wie möglich, die auf dem Kontinent genutzt würden, auch dort produziert werden. Wenn die Produktion, sei es für Malaria, Tuberkulose oder eben Covid-19, so lokal wie möglich ist, gewährleistet das die Unabhängigkeit der Länder. Im Moment ist es aber so, dass nur etwa 1 Prozent der auf dem afrikanischen Kontinent verwendeten Impfdosen auch dort hergestellt wird.

Woran liegt das, gibt es so wenige Fabriken?

Es gibt geringe Produktionskapazitäten. Aber gerade beim Biontech-Impfstoff, der auf der mRNA-Technologie beruht, gibt es mindestens neun Hersteller auf dem afrikanischen Kontinent, die ihn produzieren könnten, wie wir in einer Studie von 2021 gezeigt haben. Das heißt, es gäbe Kapazitäten, aber schon existierende Hersteller müssten mit den Produktionsstätten kooperieren. Biontech zum Beispiel müsste Technologie und Know-how teilen. Aber genau das passiert auch jetzt in Ruanda nicht. Statt zu kooperieren, baut Biontech eine eigene Fabrik. Die Kontrolle und das Wissen bleiben beim Unternehmen und damit in Deutschland, auch wenn in Ruanda produziert wird. Das ist eine abhängige Produktion. Was es braucht, sind aber eigenständige und unabhängige Impfstoffproduktionen.

Sie glauben also, es gibt bessere Möglichkeiten, um Gesundheit in Ruanda zu schützen?

Auf jeden Fall. Sicherlich ist jeder Schritt Richtung mehr Impfstoffproduktion und Medikamentenproduktion ein guter. Aber die Fabrik ist ja eine private Investition. Das heißt: Auch die Nachhaltigkeit, wie lange dieses Projekt läuft, ist eine private Entscheidung des Unternehmens und keine öffentliche.

Aber sie hat doch der Covax-Initiative etwa 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt, um die Pandemie weltweit mit Impfungen zu bekämpfen. Und jetzt spricht sie von 550 Millionen Euro, mit denen sie die Afrikanische Union bei der Impfstoffproduktion unterstützen will.

Es stimmt, gerade seit Covid-19 wurden sehr hohe Summen an öffentlichen Geldern investiert. Aber wir haben auch bei Covax gesehen, dass dieser Mechanismus zur Impfstoffverteilung nicht funktioniert hat. Kurz gesagt: Reiche Ländern wie Deutschland haben Geld gegeben, aber den Markt leer gekauft. Das investierte Geld hat leider gar nicht so viel gebracht. Es muss parallel dazu sichergestellt werden, dass die Hersteller den Impfstoff wirklich bedarfsgerecht verteilen.

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