Glamour beim Filmfest Emden: Tee statt Schampus

Das Filmfest Emden bezaubert mit seiner eher heimeligen Atmosphäre. Für Preisträger Moritz Bleibtreu gibt‘s eine Teezeremonie in der Volkshochschule.

Flaggen mit der Aufschrift "Internationales Filmfest Emden-Norderney".

Fest vor Ort verankert: Filmfest-Fahnen in Emden Foto: dpa | Sina Schuldt

BREMEN taz | Zuerst kommt der Kluntje in die Tasse, dann wird der Tee eingegossen und in diesen wird dann mit einer kleinen Schöpfkelle die Sahne getröpfelt. Und bloß nicht umrühren. In diese ostfriesische Teezeremonie wird Moritz Bleibtreu am Samstag zur nachmittäglichen Teatime auf der Bühne der Emder Volkshochschule eingeführt.

Im Saal vor ihm werden dann mehr als 100 Emder Bür­ge­r*in­nen sitzen, die ebenfalls Teekannen und -tassen vor sich haben und wie bei einem Initiationsritual gemeinsam mit ihm ihren Tee trinken werden. Erst am Tag darauf, am Sonntag, wird Bleibtreu dann bei der Abschlussgala des 33. Internationalen Filmfest Emden-Norderney in der Johannes a Lasco Bibliothek noch offiziell der Emder Schauspielpreis übergeben werden. Aber was zählt, ist das gemeinsame Teekränzchen mit dem Publikum.

Das Filmfest Emden-Norderney ist ein Publikumsfestival, und der „Film-Tee im VHS-Forum“ (so heißt es im Programm) ist dafür ein schönes Beispiel. Denn bei anderen Filmfestivals mutet man den Preis­trä­ge­r*in­nen nur selten zu, so auf Tuchfühlung mit den Fes­ti­val­be­su­che­r*in­nen zu gehen. Da gibt es meist eine Pressekonferenz, die feierliche Preisverleihung und dann ist der Star auch ganz schnell wieder weg. Manchmal erfüllt er oder sie selbst dieses minimalistische Pflichtprogramm nur mit Widerwillen.

Als Bruno Ganz im Jahr 2008 beim Internationalen Filmfest Braunschweig mit dem Europäischen Schauspielpreis „Europa“ ausgezeichnet wurde, stellte er dabei die Bedingung, dass er abweichend vom üblichen Ablauf der Abschlussgala den Preis schon zum Beginn der Veranstaltung überreicht bekommen würde. Und den Grund dafür nannte er dann in seiner „Dankesrede“ auch selber von der Bühne herunter: Er wolle um 22.00 Uhr wieder im Hotel sein, weil er im Fernsehen „den Krimi mit der schwedischen Kommissarin“ sehen wollte.

33. Internationales Filmfest Emden Norderney, 7.-14. 6. www.filmfest-emden.de

So etwas passiert, wenn sich Filmfestivals mit den Namen von berühmten Preis­trä­ge­r*in­nen schmücken wollen, aber in Emden ist das anders. Hier achtet man eher auf die Popularität als auf den Ruhm der Geehrten, und wenn man sich die Reihe der bisher Ausgezeichneten ansieht, dann vereint Martina Gedeck, Katharina Thalbach, Armin Rohde, August Diehl, Anna Maria Mühe, Karoline Herfurth, Ulrich Tukur, Julia Jentsch, Jürgen Vogel und Meret Becker eine Bodenständigkeit, die zu Emden passt.

Es gibt auch kleine Werkschauen mit den Filmen, die den Karrieren der Preis­trä­ge­r*in­nen einen entscheidenden Schub gegeben haben, und bei einigen Vorführungen sind diese in den Kinos dabei und erzählen Anekdoten von den Dreharbeiten. Von Moritz Bleibtreu, aktuell in der Netflixserie „Transatlanic“ als Walter Benjamin zu sehen, werden „Knockin´On Heaven´s Door“, „Lola Rennt“, „Soul Kitchen“, „Lammbock“ und „Lommbock“ sowie „Nur Gott kann mich richten“ gezeigt.

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wird von der Emder „Dirks Group“ gestiftet, also einem örtlichen Unternehmen, und auch dies ist typisch fürs Filmfest. Die Preise werden dort von lokalen Förderern oder Organisationen gestiftet. So gibt es einen „DGB-Filmpreis“, denn als VW-Produktionsstätte ist Emden immer noch eine „Gewerkschaftsstadt“. Auch die örtliche Sparkasse, die Stadtwerke und eine regionale Versicherung haben Preise gestiftet und die regionale Tankstellenkette Score ist dafür verantwortlich, dass der Bernhard Wicki Preis für den besten Film des Festivals mit 15.000 Euro außergewöhnlich hoch dotiert ist.

Auch über diesen Preis wird, wie bei den meisten anderen in Emden, vom Publikum entschieden. Ein spezieller Preis ist „Ein Schreibtisch am Meer“, mit dem auch die Partnerinsel des Festivals Norderney ein wenig in den Fokus gerückt wird. Die Preis­trä­ge­r*in­nen gewinnen einen einwöchigen Arbeitsurlaub in einem der Hotels der Insel, das so dann natürlich auch als Förderer des Filmfests genannt wird.

Auch der originellste Wettbewerb des Filmfest hat einen örtlichen Sponsoren: Der Emder Drehbuchpreis wird zwar in Zusammenarbeit mit dem Grimme-Institut in Marl organisiert. Das beruft die Jury, die darüber entscheidet, welche der vielen eingereichten Drehbücher prämiert werden. Doch der mit 10.000 Euro – und je 1.000 Euro für Platz zwei und drei – ebenfalls üppig dotierte Preis für ein bisher noch nicht verfilmtes deutschsprachiges Drehbuch wird laut offiziellem Programm von der Emder Seehafenspedition Jakob Weets „ausgestattet“.

Auch bei dieser Auszeichnung hat sich in Emden über die Jahre ein Ritual entwickelt, bei dem das Publikum einbezogen ist: Die Verleihung am Freitagnachmittag findet jeweils in der Form einer szenischen Lesung statt.

In diesem Jahr werden die Schauspielerin, Kabarettistin und Sängerin Gisa Flake und der Schauspieler Dejan Bućin Kernpassagen aus den nominierten Drehbüchern vortragen. So erhält das Publikum zumindest eine Ahnung davon, was die Skripte preiswürdig macht. Zum Publikum gehören dort aber auch die Dreh­buch­au­to­r*in­nen selber. Für die ist es eine ganz spezielle Erfahrung, die von ihnen geschriebenen Worte aus den Mündern professioneller Dar­stel­le­r*in­nen zu hören. Das toppt sogar noch die Teezeremonie.

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