Gleichberechtigung beim Schützenfest: Auch Frauen dürfen mitmarschieren

Erstmals nach 628 Jahren dürfen Frauen beim Schützenfest im niedersächsischen Stadthagen mitmarschieren. Es war ein zehnjähriger Kampf.

Vier Männer in einem Festzelt heben ihre Zylinder

Schützenfeste sind noch immer meist: Männersache Foto: Alexander Körner/dpa

HAMBURG taz | Schützenfesten haftet viel Rückschrittliches an: Da marschieren Männer in Reih und Glied in schwarzem Anzug, mit Zylinder und Holzgewehr auf der Schulter durch die Straßen; Spielmannszüge und Blaskapellen geben den Takt vor; mal hier ein Bier, mal da einen Schnaps reichen die Mit­bür­ge­r:in­nen vom Straßenrand. Bei den „geselligen“ Zusammenkünften in den Festzelten krakeelen heisere Herren Heimatlieder.

So auch im niedersächsischen Stadthagen, der Kreisstadt des Landkreises Schaumburg-Lippe, in dem das Schützenfest noch immer eine große Sache ist: Jährlich wird es im Sommer über fünf Tage hinweg gefeiert, 628 Mal bereits und damit sogar länger als in der benachbarten Landeshauptstadt Hannover, die für sich in Anspruch nimmt, das größte Schützenfest der Welt zu beheimaten.

Doch während Frauen beim Schützenfest in Hannover mittlerweile sogar das Amt der Bruchmeisterin bekleiden dürfen, sah es lange so aus, als würde das Schützenfest in Stadthagen für immer Männersache bleiben.

Im Laufe der Zeit war das echte Gewehr durch ein Holzgewehr ersetzt worden, bei den abendlichen Bällen legt ein DJ auf und junge Stadthäger haben eine eigene Rott, wie die Schützengruppen heißen, gegründet – eines aber blieb immer konstant: Frauen hatten auf den Schützenmärschen nichts zu suchen.

Frauen in der „eher passiven Rolle“

Doch nun haben sich sieben Stadthäger Frauen zu einer eigenen Rott zusammengeschlossen, gleichberechtigt mit den anderen 15 Rotts nehmen sie im Sommer am Festprogramm des Volksfests teil. Es sei bisher ja nicht so gewesen, dass Frauen gar nicht am Schützenfest beteiligt waren, sagt Tania Dählmann, die das Frauenrott anführt. „Aber sie waren eben in einer eher passiven Rolle.“

Konkret bedeutete das: Für das morgendliche Zusammenkommen der Herren in den Rotts schmierten sie die Mettbrötchen, zapften das Bier, durften ja abends bei den Partys und Festbällen mittanzen. Aber der Zusammenschluss in den Rotts blieb einzig Männern vorbehalten.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Vor zehn Jahren hatte es schon einmal einen Anlauf gegeben. Damals hatte Simone Mensching, angestellt bei der Paritätischen Lebenshilfe vor Ort, vorgeschlagen, ein Frauenrott auf dem Schützenfest mitmarschieren zu lassen. Die Forderung führte zu ziemlich erbitterten Auseinandersetzungen: Die städtische Frauenbeauftragte schaltete sich ein ebenso wie der Bürgermeister, der NDR berichtete und auch die taz.

Am Ende gab es ein rigoroses, einstimmiges Nein der männlichen Entscheider im sechsköpfigen Festkomitee. „Wir haben damals zwar verloren, aber einige Konflikte wegräumen können“, sagt Mensching, die sich mittlerweile aus der Debatte herausgezogen hat.

Diesmal kaum Widerstände

Beim neuerlichen Anlauf der Stadthäger Frauen gab es den Winter über bis zur jetzigen Entscheidung tatsächlich kaum kontroverse Diskussionen – auch weil die Frauen klarstellten, dass sie sich den männlichen Schützen anpassen wollen, etwa hinsichtlich der Bekleidung.

Das entscheidende Festkomitee führte im Vorfeld Gespräche, holte in einer Abstimmung unter den aktiven Schützen ein Stimmungsbild ein. Die Mehrheit der Männer hatte ihre Vorbehalte aufgegeben, sodass das Komitee seine Entscheidung von damals revidierte.

„Es ist schön zu sehen, wenn sich etwas tut“, sagt Mensching, die in Stadthagen mit dem Schützenfest aufgewachsen ist. Zur 629. Auflage im kommenden Juni marschiert dann auf dem Stadthäger Marktplatz der „Julianen-Rott“ auf – benannt nach einer Regentin das Fürstentums Schaumburg-Lippe, die als reformorientierte und tolerante Herrscherin galt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.