Globaler Süden und Klimakonferenz: „Das Gefühl, vergessen zu werden“

Palaus Präsident Surangel Whipps Jr. ist enttäuscht von der Klimakonferenz in Dubai. Sein Inselstaat ist vom Anstieg des Meeresspiegels bedroht.

Wolken am Abendhimmel von Palau

Bedrohte Inseln: Abendhimmel über Palau Foto: imago

taz: Herr Whipps, mehr als 2.400 Lob­by­is­t*in­nen der fossilen Brennstoffindustrie nahmen an der UN-Weltklimakonferenz in Dubai teil, die in der vergangenen Woche endete. Das entspricht etwa einem Siebtel der Bevölkerung Palaus. Wie groß war Ihre Delegation?

Surangel Whipps: Unsere Delegation bestand aus etwa 100 Personen.

Surangel Whipps jr. trat bei der Präsidentschaftswahl 2016 gegen seinen Schwager Thomas Remengesau jr. an und verlor knapp. Seit Januar 2021 ist der 55-Jährige Präsident von Palau.

Konnten Sie sich gegen so viele Lob­by­is­t*in­nen durchsetzen?

Die Zahlen sprechen für sich. Als kleine Inseln haben wir gemeinsam für den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen gekämpft. Und nun stehen in der Abschlusserklärung nicht die Worte, die wir gebraucht hätten, um die Inseln zu schützen.

Die pazifischen Inselstaaten sind heute stärker vom Klimawandel bedroht als Länder wie Deutschland, die USA oder China. Dennoch finden sie auf Klimakonferenzen regelmäßig weniger Beachtung. Sollte sich das ändern?

Auf jeden Fall. Kleine Inseln wie Palau haben mit heftigen Stürmen zu kämpfen, mit dem Anstieg des Meeresspiegels, mit Dürre und Hitze, mit Korallenbleiche, Quallen und dem Rückgang der Fischbestände. Alles gleichzeitig. Delegierte eines großen Landes haben mich auf der Konferenz gefragt, wie viele Menschen in Palau leben, und ich habe gesagt, es sind 20.000. Sie haben gesagt, okay, wir siedeln sie um und brauchen nur ein Gebäude. Ist das die Lösung, die wir suchen sollten? Wir reden hier vom Aussterben ganzer Kulturen.

Ein Mittel, mit dem die großen Länder den kleinen Inselstaaten und anderen stark betroffenen Ländern helfen wollen, ist der Fonds für Verluste und Schäden, die zum Beispiel durch extreme Wetterereignisse entstehen. Dieser Loss-and-Damage-Fonds wurde auf der Weltklimakonferenz beschlossen. Sind Sie damit zufrieden?

Nein. Wir sehen zwar Fortschritte durch die Operationalisierung des Fonds. Aber das Geld reicht nicht. Die USA haben für den Fonds gerade 17 Millionen Dollar zugesagt. Die Überschwemmungen in Pakistan im vergangenen Jahr haben allein einen Schaden von 30 Milliarden Dollar verursacht. Reiche Länder wie die USA und Deutschland sollten nicht über Millionen, sondern über Milliarden reden.

Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate haben zu Beginn der Konferenz jeweils immerhin 100 Millionen Dollar Anschubfinanzierung für den Fonds geleistet. Die Hoffnung: dass sich mehr Schwellenländer beteiligen, die an sich nicht zur Klimafinanzierung verpflichtet sind, aber inzwischen reich und CO-intensiv geworden sind. Bisher kommt das Geld nur spärlich und aus den Industrieländern. Sind Sie enttäuscht, dass die Strategie nicht aufgegangen ist?

Nicht wirklich enttäuscht. Ich hoffe, dass das Beispiel der Vereinigten Arabischen Emirate Länder wie Saudi-Arabien oder China ermutigen wird, ebenfalls Beiträge zu leisten. Es ist wie ein Schneeball. Man muss ihn ins Rollen bringen.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock besuchte Ihre Insel im Juli 2022. Sie sagte damals, dass Deutschland sein politisches Gewicht nutzen werde, um das nötige Geld für den Fonds zu bekommen. Hat sie ihr Versprechen gehalten?

Ich möchte ihr dafür danken, dass sie 100 Millionen Dollar gegeben hat. Das zeigt Führungsstärke und Engagement. Die Größenordnung stimmt nicht, aber es gibt uns Hoffnung – und das ist es, was wir hier draußen brauchen. Wir haben oft das Gefühl, vergessen zu werden. Aber die wichtige Frage ist, wie viel davon wirklich auf den Inseln ankommt. Oft werden große Versprechungen gemacht, und das Geld versickert auf dem Weg. Die Bürokratie ist so komplex, dass wir als kleines Land manchmal nicht dagegen ankommen können.

Baerbock sagte bei ihrem Besuch auch, sie wolle eine Machbarkeitsstudie für den Ersatz der Dieselkraftwerke auf der Insel anstoßen. Was ist daraus geworden?

Das ist noch nicht geschehen. Aber Palau hat gerade ein Solarfeld fertiggestellt, das 20 Prozent unseres Strombedarfs deckt. Jetzt wollen wir auf 100 Prozent kommen. Die Kosten für unseren Strom, der bislang ausschließlich mit Diesel erzeugt wurde, lagen bislang bei 30 US-Cent pro Kilowattstunde. Ich habe auf der Konferenz gehört, dass die Vereinigten Arabischen Emirate in einem Unternehmen mit Beteiligung der öffentlichen Hand Strom für 8 Cent pro Kilowattstunde erzeugen. Wenn in Deutschland Kohle verbrannt wird, kostet es vielleicht etwa die Hälfte. Für uns wären 8 US-Cent immer noch großartig.

Oft wird kritisiert, dass Energiepartnerschaften zwischen dem Globalen Süden und dem Globalen Norden dazu dienen, grüne Energie im Süden zu produzieren und in den Norden zu exportieren. Funktionieren diese Energiepartnerschaften nur nach neokolonialem Muster?

Wir wollen, dass der Norden grüner wird. Und wenn man in der Sahara Solarfelder bauen kann, die grünen Strom für ganz Europa produzieren, dann ist das fantastisch. Aber warum sollte man diesen Strom nicht auch in den Süden pumpen, in all die anderen Länder Afrikas, damit sie keine Kohlekraftwerke bauen müssen?

Ist der Globale Süden klimapolitisch weniger einig als noch vor wenigen Jahren?

Einige Länder wollen große Produzenten fossiler Brennstoffe werden. Andere wollen Tiefseebergbau betreiben, wieder andere Offshore-Bohrungen. Eines haben Palau und zumindest der Rest der Pazifikinseln gemeinsam: Wir wollen unser wichtigstes Gut auf diesem Planeten schützen: die Ozeane. Sie sind die größte Kohlenstoffsenke der Erde. Jeder zweite Atemzug kommt aus dem Meer.

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Wenn Sie alles Geld und alle Unterstützung hätten, die Sie brauchen: Was würden Sie klimapolitisch verändern?

Wir müssen alles tun, um unter 1,5 Grad Erderhitzung zu bleiben. Das erfordert drastische Veränderungen. Einer der größten Kritikpunkte an der Reduzierung fossiler Brennstoffe ist aber: Wenn wir die Nutzung reduzieren, müssen wir mehr für Energie ausgeben. Und das ist nicht fair. Es geht also darum, die richtigen Technologien zu nutzen, um sicherzustellen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Umstellung auf umweltfreundliche Technologien minimal sind.

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