Großdemos gegen Rechtsextreme: Endlich raus aus der Defensive

Die Demos gegen Rechts sind ein Anfang. Mehr nicht. Es wird darum gehen, sich auch mal mit dem zu beschäftigen, was man eigentlich selbst leistet.

Menschenmassen in Frankfurt am Main

Tausende Menschen gegen Rechtsextreme – hier in Frankfurt am Main Foto: Michael Probst/ap

Es ist nicht so ganz klar, wohin diese Protestwelle gegen rechts noch trägt, aber was man wohl festhalten kann nach diesem erneuten Wochenende: Da hat sich etwas ein Ventil gesucht. Was dieses „Etwas“ ist, darüber kann man nun streiten: Ist es ein Protest von Hunderttausenden gegen menschenverachtenden Rechtsextremismus, gegen die Deportations­fantasien von AfD-Politiker*innen und anderen Nazis? Ja, sicher. Nur: Deren „Remigrations“-Theorien sind zwar schockierend, aber nicht schockierend neu.

Vielleicht muss man eher fragen: Ist es auch ein Protest für etwas, der sich da gerade Bahn bricht?

Am ehesten ist es wohl eine Form der Selbstermächtigung, die hier stattfindet. Eine Selbstvergewisserung: Man muss nicht abwarten, bis die AfD im Osten ihre 30 Prozent nicht nur in den Umfragen erreicht, sondern ganz konkret in Thüringen im Herbst an der nächsten Regierung beteiligt wird. Man kann sich ruhig schon vorher empören. Offensive tut gut. Vor allem, wenn man sich lange in der Defensive gefühlt hat: Seit den Corona­protesten gehörte die Straße vor allem den Rechten. Das Unteilbar-Bündnis, das 2018 Zehntausende mobilisierte, löste sich vergangenen Herbst auf. Fridays for Future erholten sich nie wieder von der Pandemie.

Was leistet die linke Zivilgesellschaft eigentlich?

Man sollte die aktuellen Proteste nicht mit Erwartungen überfrachten. Jede Welle bricht. Auch diese Demos werden wieder kleiner werden. Dann ist die Frage, welche Schlüsse zieht man daraus: dass alles umsonst war, der viel zitierte „Ruck“ schon wieder vorbei? Das wäre falsch.

Erfolg misst sich nicht nur in Demostatistiken. Er misst sich auch daran, dass Unteilbar in dem neuen Hand-in-Hand-Bündnis gerade eine Wiedergeburt erlebt. Es geht darum, sich nicht wieder (nur) an der AfD abzuarbeiten, sondern auch mal mit dem zu beschäftigen, was man als linke Zivilgesellschaft eigentlich selbst leistet.

Und das wiederum ist dann auch ein Auftrag, der aus diesem Wochenende an die parlamentarische Politik erwächst: Es reicht nicht, diesen Aufstand der Zivilgesellschaft gut zu finden.

Die CDU könnte sich überlegen, ob sie ihren Unvereinbarkeitsbeschluss, mit der Linken zu koalieren, angesichts der AfD-Gefahr in Thüringen eventuell als überholt betrachten möchte. Die FDP könnte darüber nachdenken, ob sie weiter Klientelpolitik machen will, die auch noch die Ampel­regierung schwach und zerstritten aussehen lassen will, wie nun wieder bei den Kinderfreibeträgen, von denen vor allem Reiche profitieren werden.

Dieses Wochenende ist ein möglicher Anfang, nicht mehr – aber auch nicht weniger.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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