Grünau: Rock gegen Abschiebehaft

Mit lauter Musik protestieren 400 Menschen vor dem Knast Grünau gegen das am Flughafen Schönefeld geplante Asylschnellverfahren. Dabei hätten Flüchtlinge keine Chance, Asyl zu erhalten.

Die Demonstranten protestieren auch gegen das geplante Asylschnellverfahren in Schönefeld. Bild: dapd, Adam Berry

Wütende Rockklänge hämmern gegen die hohen Mauern, die das Abschiebegefängnis in Grünau umgeben. Aus dem Lautsprecher auf einem VW-Bus ertönt "Police Shit" von der Punkband "The Exploited". Dieses Lied hatte sich einer der Inhaftierten gewünscht. Ob er es hören kann, ist ungewiss. Nur vier der vergitterten Fenster sind erleuchtet. "Die sperren alle nach hinten, damit keine Unruhe aufkommt", sagt Martin Schröter von der Initiative gegen Abschiebehaft, "Platz genug haben sie ja." Denn die Zahl der Abschiebehäftlinge sinkt seit Jahren.

Dafür, dass bald gar niemand mehr in dem Knast schmoren muss, demonstrierten am Samstag auf dem Parkplatz vor dem Gefängnis laut Polizei und Veranstaltern rund 400 Menschen. "Kein Mensch ist illegal - Bleiberecht überall", lautete das Motto des Protestzugs, der vom S-Bahnhof Spindlersfeld zum Gefängnis führte und sich auch gegen das geplante Asylschnellverfahren auf dem künftigen Großflughafen Schönefeld richtete. Aufgerufen hatten mehrere Initiativen und Kampagnen gegen Rassismus und Ausgrenzung.

In dem für maximal 350 Menschen ausgelegten Gefängnis in Köpenick waren laut Innenverwaltung im Jahr 2006 im Durchschnitt 122 Menschen inhaftiert, in diesem Jahr waren es 38. Grund für die sinkenden Zahlen ist laut Berliner Innenverwaltung die EU-Erweiterung, wodurch Menschen aus Osteuropa keine Aufenthaltsgenehmigung mehr bräuchten. Außerdem habe eine Änderung der gesetzlichen Bleiberechtsregelung zu weniger Abschiebungen geführt. Martin Schröter macht die "Abschottung der europäischen Außengrenzen" durch die "sichere Drittstaaten"-Regelung verantwortlich. Weniger Menschen könnten bis nach Deutschland kommen. Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD vereinbart, zu prüfen, ob eine gemeinsame Abschiebeeinrichtung mit Brandenburg realisiert werden könne. "Dieser Knast gehört nicht verkleinert, er gehört abgeschafft", sagt hingegen Schröter.

Wütend sind die Initiativen auch auf die Pläne, ein Asylschnellverfahren am Flughafen Schönefeld einzurichten, der im Sommer 2012 eröffnet. Das Land Brandenburg, der künftige Betreiber der Haftanstalt, hat nach Auskunft des Potsdamer Innenministeriums beim Bund zwar Zweifel wegen zu geringer Fallzahlen angemeldet. Der Bund hat an der Notwendigkeit einer solchen Einrichtung jedoch festgehalten. Man müsse über "offensichtlich aussichtslose Asylanträge bereits vor der Einreise entscheiden können", hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Dies seien Asylbewerber aus "sicheren Herkunftsstaaten" und jene ohne Pass.

Dieses Verfahren würde in Schönefeld höchstens 19 Tage dauern. Der Antrag wird innerhalb von zwei Tagen bearbeitet. Wird er abgelehnt, hat der Flüchtling drei Tage Zeit, Widerspruch einzureichen. Das Verwaltungsgericht entscheidet innerhalb von 14 Tagen darüber. "Es ist unmöglich, die geforderten Dokumente rechtzeitig vorzuzeigen", kritisierte Katharina Roth vom Bündnis gegen Flüchtlingslager. "Die Möglichkeiten, sich von einem Anwalt beraten zu lassen, sind weitestgehend eingeschränkt. Damit ist eine Abschiebung so gut wie sicher."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.