Gymnasium oder Stadtteilschule? : Schulwahl mit Hindernissen

Schulweglänge, Geschwisterregelung und Elternwillen bestimmen darüber, an welche weiterführende Schule Viertklässler wechseln. Ein Parcours mit vielen Hürden.

Lesen fürs Leben: aber an welcher Schule? Bild: dpa

Hamburg taz| Der Countdown läuft: In knapp einem Monat müssen 13.000 Viertklässler in der weiterführenden Schule ihrer Wahl angemeldet werden. Tage der Offenen Tür und Info-Abende, an denen die Stadtteilschulen und Gymnasien ihre Konzepte präsentieren, jagen einander.

Doch nicht jeder Schulwunsch wird auch in Erfüllung gehen. Zwei Kriterien entscheiden, ob ein Kind auf einer Schule, die mehr Anmeldungen bekommt, als sie Plätze zu bieten hat, angenommen wird. Der Platz ist garantiert, wenn schon der ältere Bruder oder die ältere Schwester hier lernt, danach zählt - auf den Meter genau - die Distanz zwischen Wohnort und Schule. Keine Rolle hingegen spielt, ob die Grundschule dem Kind eine Gymnasialempfehlung mitgegeben hat - hier entscheidet allein der Elternwillen.

Gekippt wurden im Oktober von Schulsenator Thies Rabe (SPD) die Sonderregelungen für 13 weiterführende Schulen in Hamburg mit besonderen fachlichen pädagogischen Profilen, die sich etwa die Hälfte ihrer SchülerInnen selber aussuchen konnten. Eine umstrittene Maßnahme, waren doch die weiterführenden Schulen in den vergangenen Jahren gedrängt worden, spezielle Profile zu entwickeln, die Kinder weit über den Stadtteil hinaus anziehen.

"Nun kommen nur noch Kinder, die um die Ecke wohnen, in den Genuss solcher Profile, alle anderen kucken in die Röhre", klagt der CDU-Bildungsexperte Robert Heinemann. "Wenn sie nicht mehr gezielt angewählt werden können, macht es für die Schulen keinen Sinn mehr, an Profilen zu arbeiten", ergänzt die schulpolitische Sprecherin der GAL, Stefanie von Berg: "Das macht solche Schulen kaputt."

Selbst die Schulbehörde sieht im Widerspruch zwischen "Weggerecht" und Schulprofil "ein nicht lösbares Problem". Für die Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn, hingegen ist der Zuschlag nach Wohnortnähe "die sozial gerechteste Lösung". Könnten wie bisher einige Schulen ihre Schüler zum Großteil selbst aussuchen, werde durch solche Rosinenpickerei den Schulen der Umgebung, "die leistungsstärksten und sozial kompetentesten Schüler" entzogen - viele Stadtteilschulen drohten dann zu Restschulen zu verkommen.

Ein Problem, dass sich für die Linke auch stellt, wenn alle Schulen einen Teil ihrer Schüler auswählen könnten, wie die CDU und GAL es fordern. Auch hier würden beliebtere Schulen die freie Auswahl haben, der Rest müsste nehmen, was übrig bleibt.

Ein weiteres Problem: Durch die nun eingeschränkte Schulwahl droht sich der alljährliche Ummeldungsboom noch zu verschärfen - Eltern, die die Möglichkeit haben, melden sich an einem fingierten Wohnort in der Nähe der Schule ihrer Wahl an. Während einige Schulleiter den Eltern die Wohnort-Mauschelei sogar nahelegen, fordern Kollegen von ihnen die anderen Eltern zur gezielten Denunziation der "Meldebetrüger" auf, um solche Schüler rechtzeitig herauszufiltern.

Die Zeche zahlen im Zweifelsfall die Kinder: So musste im laufenden Schuljahr ein frisch auf ein Eimsbüttler Gymnasium aufgenommenes Mädchen die Schule zwangsweise verlassen, weil ein fingierter Wohnortwechsel von anderen Eltern verpetzt worden war - wie viele weitere solche Fälle es gibt, darüber erteilt die Behörde keine Auskunft.

"Solche Problemlösungen auf dem Rücken der Schüler sind einfach nur grausam", klagt Stefanie von Berg, während Robert Heinemann weiß: "Wer die Wohnortregel durchsetzen will, hat nur die Abschulung als Sanktion" - das zeige den "Unsinn solch starrer Regeln".

Ein weiteres Problem stellt sich für die Gymnasien: Da ehrgeizige Eltern ihre Kinder auch ohne Gymnasialempfehlung hier anmelden, Sitzenbleiben oder auch ein Wechsel auf eine Stadtteilschule ab Stufe sieben aber im Regelfall nicht möglich sind, "befürchten fast alle Experten in Zukunft eine große Abschulungswelle nach der sechsten Klasse", sagt Stefanie von Berg.

Auch Robert Heinemann erwartet "einen klaren Schnitt nach Klasse sechs", da die Gymnasien alle Pennäler ohne Ehrenrunde zum Schulabschluss führen müssen, die sie in die Mittelstufe versetzen.

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