Hannovers Buchhändler im Widerstand: Kampf um den Bibliotheksetat

Lokale Buchhandlungen haben – vorläufig – verhindert, dass die Stadtbibliothek ihnen die Aufträge wegnimmt, um sie europaweit auszuschreiben.

Eine Mitarbeiterin sortiert in der zentralen Stadtbibliothek in der Südstadt von Hannover ein Regal mit Reiseführern

Regal mit Reiseführern in der Stadtbibliothek von Hannover: wo kommen die einzelnen Bände her? Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Man hat sich ja doch ein bisschen gewöhnt an das Jammern und Wehklagen aus der Buchhandelsbranche. Ja, ja, alles wird immer schlechter, keiner liest mehr, der böse Onlinehandel und so weiter … Um so verblüffender, wenn es dann mal anders läuft: In Hannover haben sich die lokalen Buchhandlungen auf die Hinterbeine gestellt und etwas geschafft, woran ihre Kollegen in Berlin und Leipzig gescheitert sind. Sie haben – zumindest vorläufig – verhindert, dass die Stadtbibliothek ihnen die Aufträge wegnimmt, um sie gebündelt europaweit auszuschreiben.

Das Problem dahinter ist eines, das Buchhandlungen in vielen Städten umtreibt. Traditionell vergeben die Stadtbibliotheken ihre Beschaffungsaufträge oft freihändig oder über mehrere kleine kommunale Ausschreibungen. Das ist oft nicht sehr transparent, aber historisch so gewachsen – und für viele lokale Buchhändler immerhin eine halbwegs feste Bank in Zeiten wackelnder Umsätze. Rund 35 inhabergeführte Buchhandlungen gibt es in Hannover noch, zwischen 10.000 und 30.000 Euro pro Jahr bekommen diese.

Wenn nun Stadtbibliotheken ihre Beschaffung bündeln und im Block vergeben, minimiert das deren Bearbeitungsaufwand – vor allem, wenn man damit verbundene Leistungen wie das Einbinden, Laminieren, mit Barcodes und Diebstahlsicherungen versehen, gleich mit ausschreibt.

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Das wollte auch die Stadtbibliothek Hannover. Der Haken: Wenn der Auftrag damit 215.000 Euro überschreitet, muss zwangsläufig europaweit ausgeschrieben werden. In Hannover ging es um mindestens 485.000 Euro, was große Player bevorteilt, die das Rundum-Sorglos-Paket liefern können.

Der Trend zum Outsourcing

„Das ist doch Irrsinn, weil man damit im Grunde die Buchpreisbindung aushebelt“, sagt Caroline Momma vom hannoverschen Buchhändlerinnen-Kollektiv Annabee. Bei Büchern gibt es im Grunde ja kein Einsparpotential, weil die Preise festgeschrieben sind. Bei den sonstigen Leistungen können die großen Händler aber mit Dumpingpreisen arbeiten und so den begehrten Großauftrag quer subventionieren. Früher wurden die meisten dieser Arbeiten in den Bibliotheken selbst erledigt, mittlerweile greift der Trend zum Outsourcing um sich.

Gewarnt von Berlin und Leipzig, wo die Buchhändler zu spät realisierten, dass sie ausgebootet werden und erst Alarm schlugen als die Ausschreibungen praktisch schon vorlagen, wappneten sich die Hannoveraner frühzeitig. Sie schlossen sich zusammen, gingen an die Öffentlichkeit, mobilisierten ihre Kundschaft, setzten eine Online­petition auf, die in Rekordzeit von 4.800 Personen gezeichnet wurde – und damit das notwendige Quorum locker übersprang.

Auch in der Politik kam der Gegenwind an: Der SPD-Europaabgeordnete und Vorsitzende des Handelsausschusses im EU-Parlament, Bernd Lange, erklärte, er halte eine europaweite Ausschreibung in diesem Fall für keineswegs so zwingend, wie mancher es gern darstellt.

Am Ende gab es im Kulturausschuss der Stadt einen parteiübergreifenden Konsens, Buchbeschaffung und sonstige Leistungen doch wieder getrennt zu beauftragen. Letzteres soll möglichst eine soziale Einrichtung übernehmen. Damit ist das Thema zwar noch nicht ganz erledigt, – die Verwaltung muss einen neuen Vorschlag ausarbeiten, – aber immerhin ein beachtlicher Teilerfolg errungen.

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Niedersachsen-Korrespondentin der taz in Hannover seit 2020

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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