Hannovers Problembahnhof: Innenministerin macht Lobhudel-Tour

Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) lässt sich durch den zweitgefährlichsten Bahnhof der Republik führen – und findet schöne Worte.

Polizeiwagen vor dem Hauptbahnhof Hannover

Die Polizei hat viel zu tun am Hauptbahnhof Hannover Foto: Philipp Schulze / dpa

Als Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) sagt, sie habe „hier ein gutes Gefühl“, entgleisen einem Reporterkollegen kurz die Gesichtszüge. Es gibt nicht viele Menschen, die beim Hauptbahnhof Hannover und seiner Umgebung ein so richtig gutes Gefühl haben, aber die Ministerin verbreitet Zufriedenheit.

Der Reihe nach: Im vergangenen Jahr landete der Hauptbahnhof in den Schlagzeilen, weil er bei den erfassten Gewaltdelikten bundesweit an zweiter Stelle lag. Obwohl er eigentlich nur der siebtgrößte Bahnhof ist. Nur der Hamburger Bahnhof gilt als noch gefährlicher.

Tatsächlich ist Hannover wohl auch deshalb ein so schwieriges Pflaster, weil der Hauptbahnhof eine bedeutsame Drehscheibe ist: Hier durch verlaufen so viele Nord-Süd- und Ost-West-Verbindungen, dass nicht nur Fußballfangruppen (immer für einen Peak in der Statistik gut) regelmäßig aufeinandertreffen, sondern sich auch sonst viele Menschen ansammeln, die irgendwie gestrandet sind.

Es gab nun eine ganze Reihe von Anstrengungen, dem zu begegnen. Da wurden Waffenverbotszonen eingerichtet und Funsport-Events organisiert. Anders als in anderen Städten wurde die Obdachlosen- und Drogenszene nicht ganz so rigoros vertrieben, aber doch nachdrücklich an den Rand gedrängt. Oder wie es die Sozialdezernentin der Stadt nennt: auf „Akzeptanzflächen“ verwiesen, die nicht ganz so prominent gelegen sind.

Es gibt da also durchaus die eine oder andere Sache, die so einen Innenministerinnenbesuch rechtfertigen würde. Sie wolle sich bei einem Rundgang ein Bild von der Situation machen, mit den zuständigen Akteuren über die Herausforderungen sprechen, sich über das gemeinsame Einsatzkonzept informieren, hieß es in der Presseeinladung.

Hauptsache, alle kooperieren

Im Idealfall sind solche Rundgänge tatsächlich nützlich: Für die Ministerin liefern sie einen kleinen Realitätscheck und gute Bilder, für die mitlaufende Presse was zum Mitschreiben. Denn natürlich wird jede Organisation, die etwas auf sich hält, die Gelegenheit nutzen, der Ministerin etwas mit auf den Weg zu geben: Regelungen, die man sich anders wünscht, Forderungen nach mehr Personal, mehr Geld, mehr Ausrüstung.

Hier nicht. Der öffentliche Teil des Rundganges beschränkte sich auf einen Konferenzraum der Bundespolizei. Dort ist man sehr bemüht, zu zeigen, was man mit den 183 Kameras im Hauptbahnhof alles anstellen kann: Fußballfans durch den Bahnhof verfolgen, Messerstechereien und Flaschenwürfe aufklären. Also zumindest im Nachhinein. Eine dauerhafte Live-Beobachtung des Geschehens gibt es nicht.

Aber darum geht es hier ja auch gar nicht. Wichtig sei ihr, sagt Behrens, festzustellen, dass die Zusammenarbeit auf diesem schwierigen Terrain gut funktioniert. Ja, antwortet brav der Vertreter der Bundespolizei, wir arbeiten gut zusammen.

Ja, bestätigen nacheinander die Vertreterin der Landespolizei, die Leiterin der nahe gelegenen Wache und die Vertreter der Stadt, wir arbeiten hier gut zusammen. Dass bekräftigt Behrens noch mehrmals, es sei ihr wichtig, weil man dieses Problem ja nur mit guter Kooperation in den Griff bekäme. Ob das denn jetzt wirklich die Botschaft des Tages sei, fragt eine Reporterin ungläubig, dass man hier gut kooperiere? Ja, lautet die Antwort. Und dpa titelt: Ministerin lobt Sicherheitsarbeit am Hauptbahnhof. Na, wenn das man nicht eine knallharte Nachricht ist.

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