Harald Welzer über Digitalisierung: Vom Ende der Arbeit

Soziologe Harald Welzer spricht im Interview über die Umwertung von Jobs im Zuge der Digitalisierung, über Monotonie und die Zukunft der Arbeit.

„Endlich mal eine harte und radikale gesellschaftliche Debatte über die Digitalisierung führen" wird Harald Welzer auf dem taz lab Bild: Stefan Boness

taz: Herr Welzer, wie sehen Sie die Zukunft der Arbeit?

Harald Welzer: Sicherlich unter einem extremen Veränderungsschub durch die Digitalisierung: starke Arbeitsplatzverluste, Umwertung von Tätigkeiten und daher mit enormen gesellschaftlichen Folgen verbunden.

Sehen Sie eine Chance in der Digitalisierung?

Natürlich. Wenn nervtötende und schlechte Arbeit durch Roboter und im weitesten Sinne Algorithmen ersetzt wird, dann bleibt am Ende noch im unteren Leistungssegment die ganze Pflegearbeit übrig, und die wird wahrscheinlich stark aufgewertet werden, weil sie maschinell eben nicht ersetzt werden kann. Insofern ist es möglicherweise positiv. Man kann auch sagen: Wenn man keine monotone Arbeit mehr machen muss, ist das ja gesellschaftlich auch ein positiver Effekt.

Vielleicht verändern sich dadurch ja auch die Gesellschaftsmodelle.

Das kann sich, wie immer im Leben, positiv wie auch negativ auswirken. Wenn man rechtzeitig genug die Weichen stellt, unter anderem für eine radikale Arbeitszeitverkürzung, für ein bedingungsloses Grundeinkommen, dann können wir möglicherweise positive Entwicklungen gestalten. Es kann aber auch genau umgekehrt sein, nämlich dass dann zunehmend menschliche Arbeit verzichtbar wird. Der Kapitalismus ist ja immer gezähmt worden durch soziale Bewegungen, die dann zu entsprechenden Regulierungen geführt haben, wie Mitbestimmung, betriebliche Altersversorgung und Gesundheitsversorgung.

Unsere ganzen Sozialsysteme sind das Ergebnis von sozialen Kämpfen. Von der Kapitalseite musste das immer akzeptiert werden, damit der Laden weiterläuft. Aber wenn ich keine menschliche Arbeit mehr brauche, warum soll man dann in diese intermediären Bereiche investieren? Insofern könnte in der dystopischen Version unsere Vorstellung von Staatlichkeit und besonders von Sozialstaat ad absurdum gegührt ­werden.

Was können wir tun, damit sich dies zum Positiven ­wendet?

Endlich mal eine harte und radikale gesellschaftliche Debatte über die Digitalisierung führen und nicht die ganze Zeit auf dem Smartphone rumhacken und sich anhören, was die Groko beschließt. Deren Pro­blem­horizont geht bis zum Breitbandausbau und keinen Millimeter weiter. Das macht einen wahnsinnig.

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Die armen Fahrradsklaven?

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Genau.

Es sind ungesicherte Arbeitsverhältnisse, die das wirtschaftliche Risiko auf die Beschäftigten verlagern. Insofern ist das einfach ein neues Modell. Wie das jemand empfindet, ist rein subjektiv. Wenn man sich noch an früher erinnert – der Fahrradbote war ja in gewisser Weise der Großstadtcowboy, der freie Held, der da zwischen den Autos durchgestochen ist. Ich weiß gar nicht; was aus denen geworden ist. Das ist auch ein Berufsbild, das sich völlig eingemeindet hat.

Hat sich für Sie die Arbeitsweise verändert in den letzten 20 Jahren?

Überhaupt nicht. Zumindest nicht seit der Einführung des PCs. Ich besitze ja nicht mal ein Smartphone.

Das Interview führte MAREIKE BARMEYER, Redakteurin des taz lab.