Hardliner der Polizei geht in Pension: Erfreulicher Abgang

Racial Profiling, Polizeigewalt und andere Tiefpunkte prägen seine Bilanz: Der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer geht.

Polizeipräsident Ralf Martin Meyer spricht während des Symposiums der Polizeigewerkschaft Hamburg «Deutschland im Krisenmodus und mittendrin die Polizei» im Polizeipräsidium

Gute Frage. Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer hat im Ruhestand Zeit für eine ehrliche Antwort Foto: Marcus Brandt/dpa

Die vielleicht überraschendste Leistung steht ganz am Ende von Ralf Martin Meyers Karriere. Bei einem von zahlreichen Abschiedsinterviews mit Hamburger Medien in der Zeit, räumte er ein, Fehler gemacht zu haben. Natürlich nicht generell! Es ging konkret um das Verhalten Meyers nach dem Attentat auf eine Gemeinde der Zeugen Jehovas, bei dem sieben Menschen getötet wurden.

Als nach der Tat Ermittlungspannen, Fehleinschätzungen und gravierende Kommunikationsdefizite ans Licht kamen, versuchte Meyer zunächst, diese zu verteidigen. Das sei ein großer Fehler gewesen, räumte er nun ein, fügte aber hinzu, er sei falsch informiert worden.

Die Etablierung einer ehrlichen Reflektions- und Fehlerkultur gehört nicht zu den Errungenschaften, die Meyer in seiner Bilanz nach neun Jahren als Polizeipräsident verbuchen kann. Am Dienstag wurde der 64-Jährige mit einem Festakt des Senats in den Ruhestand verabschiedet. Innensenator Andy Grote (SPD) lobte die Entwicklung der Polizei unter Meyer: Sie sei diverser, jünger, weiblicher, digitaler und moderner geworden.

Das mag sein, schließlich kann sich selbst die Polizei nicht jeder fortschrittlichen Entwicklung verschließen. Blickt man jedoch auf die vergangenen neun Jahre zurück, fällt auf: Unter Meyers Führung agierte die Polizei, als hätte sie nie etwas anderes gelernt, als drauf zu hauen. Keinen 1. Mai-Protest, egal wie friedlich er ist, kann sie vergehen lassen, ohne linke De­mons­tran­t*in­nen zu schikanieren und im Zweifel krankenhausreif zu schlagen.

Polizeitgewalt? Gibt's nicht!

Im Corona-Lockdown jagte sie feiernde Jugendliche mit einem Auto durch den Jenischpark. Bei den Black Lives Matter-Protesten hielt sie 36 Jugendliche stundenlang eingekesselt. Auf St. Pauli brachte sie einen 16-Jährigen zu Boden und nahm ihn fest, weil er einen Pulli mit der Aufschrift ACAB trug. Für keine der Gewalt-Aktionen entschuldigte sich Meyer.

Auch als das Verwaltungsgericht 2020 einem Anwohner St. Paulis Recht gab, der die Polizei wegen Racial Profilings verklagt hatte, kam von Meyer nichts. Bis heute haben Schwarze Menschen in der Nähe der Reeperbahn so gut wie keine Rechte: Täglich werden sie von der unter Meyer eingerichteten „Task Force Drogen“ verfolgt und kontrolliert.

„Die Polizei Hamburg betreibt kein Racial Profiling“, stellte Meyer zum Ende seiner Amtszeit noch mal klar. Es ist die alte Polizeilogik: Was nicht sein darf, kann auch nicht sein. Außer natürlich, es interessiert niemanden, ob es sein darf. Falls es doch jemanden interessiert, kann er ja dagegen klagen. Diese Devise vertritt Meyer ebenfalls bis zum Schluss, etwa hinsichtlich der Versammlungsverbote während des G20-Gipfels 2017, die im Nachhinein für rechtswidrig erklärt wurden. Den damaligen Einsatzleiter Hartmut Dudde beförderte Meyer nach dem Gipfel-Desaster.

Den G20-Gipfel zählt er zu den unangenehmsten Kapiteln seiner Amtszeit. Nicht etwa wegen der brutalen Polizeigewalt, nein! Diesen Begriff lehnt Meyer kategorisch ab, er führe in die Irre. Rückblickend auf den G20 wurmt Meyer, den Sachschaden in der Elbchaussee nicht verhindert zu haben. Tja, so zieht jeder seine eigenen Schlüsse. Meyers Abgang ist jedenfalls ein erfreulicher Schluss nach neun Jahren Draufhauen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1986, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Buenos Aires studiert und wohnt auf St. Pauli. Schreibt meistens über Innenpolitik, soziale Bewegungen und Klimaproteste, Geflüchtete und Asylpolitik, Gender und Gentrification.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.