Harsums Bürgermeister wird bedroht: „Lebensqualität eingeschränkt“

Marcel Litfin (parteilos) bekommt Todesdrohungen von einem offenbar psychisch kranken Mann und wirft den zuständigen Behörden Untätigkeit vor.

Marcel Litfin

Sieht sich vom Staat im Stich gelassen: Marcel Litfin Foto: Julia Moras

BREMEN taz | Harsum, das ist ein Ort, in dem Mord und Totschlag weit weg scheinen. Eine neuromanische Basilika und eine jahrhundertealte Eiche sind hier, östlich der Autobahn 7, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten und der nächste Ort von einiger Relevanz ist das etwas südlich gelegene Hildesheim. Auch die Einigkeit ist groß hier: Der parteilose Bürgermeister Marcel Litfin wurde 2021 ohne Ge­gen­kan­di­da­t:in mit beinahe sozialistischen 87 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt; im Gemeinderat haben CDU und Rot-Grün fast gleich viele Sitze.

Wenn Harsum und sein Bürgermeister jetzt doch in die Schlagzeilen geraten sind, liegt das an einem vermutlich psychisch kranken Mann. Er hat Litfin mit dem Tode bedroht.

In Briefen und Anrufen, berichtet der NDR, drohte er jüngst, dem Bürgermeister die Zähne aus- und den Schädel einzuschlagen. Und es gibt Gründe, die Drohung ernst zu nehmen: Dem 50-Jährigen wird vorgeworfen, im Sommer zwei Gullydeckel von einer Brücke auf die A7 geworfen zu haben.

Im Sommer saß er deswegen bereits in Untersuchungshaft. Mangels „dringendem Tatverdacht“ wurde er aber wieder auf freien Fuß gesetzt, sagte die Staatsanwaltschaft Hildesheim der taz. Dem Mann aus Harsum wurde ein versuchter Mord zur Last gelegt: Einer der Gullydeckel verletzte den Autofahrer und seine Beifahrerin schwer. In der Vergangenheit fiel er bereits durch kleinere Diebstähle auf, außerdem wird wegen zwei Bombendrohungen gegen ihn ermittelt.

Litfin will Frau und Kinder nicht allein lassen

Bürgermeister Litfin, der gerade nicht mehr mit der Presse über die Sache reden will, sieht sein Leben und das seiner Familie schon länger bedroht. Der 36-jährige Verwaltungsfachwirt, ein Harsumer „von klein auf“, wie er auf seiner Website schreibt, verlässt abends das Haus nicht mehr, um seine Frau und seine beiden Töchter nicht allein zu lassen. Das berichtete zuletzt die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) – öffentliche Termine nehme er abends nicht mehr wahr. Er spricht von einer „deutlichen Einschränkung der Lebensqualität“. Auch an seinen Mitar­bei­te­r:in­nen in der Verwaltung gehe der Fall „nicht spurlos vorbei“.

Schon vor zwei Jahren hat er den Presseberichten zufolge einen Waffenschein beantragt, die Kreisverwaltung hat diesen aber abgelehnt. Außerdem forderte er beim Innenministerium Personenschutz ein, bisher ohne Erfolg. „Der Schutz von Amts- und Man­dats­trä­ge­r:in­nen hat bei der Polizei einen hohen Stellenwert“, heißt es nun bei der ermittelnden Polizei, und dass man mit dem Bürgermeister „in engem persönlichen Kontakt“ stehe. Die Polizeiinspektion Hildesheim habe „umfassende Schutzmaßnahmen angeordnet“, will aber „aus einsatztaktischen Gründen“ keine Details nennen.

Für die Unterbringung des Tatverdächtigen ist nicht die Polizei zuständig. Der Sozialpsychiatrische Dienst des Landkreises soll dem NDR zufolge den Tatverdächtigen bereits besucht haben, dabei sei aber keine Fremdgefährdung festgestellt worden, heißt es. Nach Gerichtsangaben stand er bis zum Sommer unter rechtlicher Betreuung.

Diese wurde auf Antrag seines Betreuers aufgehoben – weil der Mann jegliche Unterstützung abgewehrt hatte. Litfin wirft den zuständigen Behörden in diesem Zusammenhang Untätigkeit vor. „Es liegen zahlreiche Bedrohungsschreiben und dokumentierte Bedrohungsanrufe mit Todesdrohungen konkret gegen Marcel Litfin vor“, wird sein Anwalt von der HAZ zitiert. Der Landkreis Hildesheim weist die Vorwürfe aber zurück.

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