Haushaltsentwurf für Berlin: Mehr Geld für alle

Die befürchteten Kürzungen bleiben aus. Stattdessen gibt es auf Kosten der Rücklagen überall Zuwächse. Die Bezirke atmen auf, die Grünen kritisieren.

Der regierende Bürgermeister kai Wegner sitzt vor blauem Hintergrund in einer Pressekonferenz. Vor ihm sind vier Aktenordner aufgereit.

Der Haushaltsentwurf braucht die Rücklagen Berlins auf, sparen muss deshalb niemand Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

Der vielfach befürchtete Sparkurs des schwarz-roten Senats bleibt aus. Stattdessen wird sich an den Rücklagen der Stadt bedient, um neue Schwerpunkte zu setzen. Unterm Strich wächst der Doppelhaushalt für die Jahre 2024 und 2025, dessen Entwurf der Senat am Dienstag beschlossen hat, von aktuell 37,9 Milliarden Euro auf 39,06 Milliarden Euro im Jahr 2024 und sogar über 40 Milliarden Euro im Jahr 2025 an.

Neue Schulden will der Senat dafür jedoch nicht aufnehmen. Vielmehr sollen für die Mehrausgaben die bestehenden finanzielle Rücklagen aufgebraucht werden. „Jetzt in diese Zeiten mit einem Kürzungshaushalt reinzugehen wäre falsch. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft“, rechtfertigt der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) bei der Vorstellung des Entwurfs den Griff ins Sparschwein.

Auf der Grafik ist ein balkendiagramm zu sehen, die die Haushaltsveränderungen darstellen.

Die Ausgaben der Senatsverwaltungen und Bezirke – 2023 und 2024 im Vergleich Infografik: taz

Die Koalition aus SPD und CDU lege mit dem Haushalt Schwerpunkte in den Bereichen Sicherheit, Bildung und Wirtschaft, so Wegner. Insbesondere die Sicherheitsbehörden sollen künftig besser ausgestattet werden: Insgesamt 6,4 Millionen Euro sollen für die Ausstattung von Polizei und Feuerwehr mit den umstrittenen Tasern sowie Bodycams ausgegeben werden.

Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sieht diesen nach den vergangenen Krisenjahren auf einem Weg „back to normal“. Ziel bleibe dennoch ein ausgeglichener Haushalt, sagt Finanzsenator Christian Evers (CDU). Dafür erwarte er „innovative Lösungen“ in den Verwaltungen.

Sozialer Kahlschlag in Bezirken bleibt aus

Im Vorfeld hatten Sozialverbände und Bezirke vor einem sozialem Kahlschlag gewarnt. Besonders die Bezirke hatten wegen Inflation und steigenden Gehältern 250 Millionen Euro mehr pro Jahr gefordert, um Kinder- und Jugendeinrichtungen weiter betreiben zu können. Die bekommen sie allerdings nicht ganz: 100 Millionen Euro mehr pro Jahr sind im Haushalt für die Bezirke vorgesehen, sparen müssen sie also trotzdem.

Weitere 50 Millionen sollen durch bestehende Senatsprogramme fließen, so Evers. „Diese Landesregierung hat den Anspruch, eine gute soziale Politik zu machen“, sagt Wirtschaftssenatorin und Ex-Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD).

Auch die befürchteten Kürzungen bei den Radwegen bleiben aus. Dafür stehen künftig rund 59 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ähnlich viel wie zuvor, im Gegensatz zu Rot-Grün-Rot will der schwarz-rote Senat die Mittel auch ausgeben. „Die Bilanz der vorherigen Senatorin beim Radwegeausbau ist alles andere als gut“, sagt Wegner. „Wir wollen mehr sichere Radwege und die Vorgängerregierung hier sichtlich übertreffen“, ergänzt Evers.

Auch im Bereich Soziales soll es künftig mehr statt weniger geben: Statt der angekündigten Streichungen um 30 Prozent wird der Haushalt von Senatorin Cansel Kiziltepe (SPD) für die Bereiche Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung von bislang im Schnitt 1,7 Milliarden Euro pro Jahr auf rund 2,2 Milliarden Euro aufgestockt.

500 Millionen mehr für die Sozialverwaltung

Aufgrund von Inflation und Lohnsteigerungen bedeutet der Zuwachs um 500 Millionen Euro zwar nicht in allen Bereichen ein Plus – aber eben auch kein Minus. Senatorin Kiziltepe zeigt sich zufrieden. „Der Senat spart nicht an den Menschen“, so die SPD-Politikerin am Dienstag. „Gerade in Zeiten von erstarkenden rechten Kräften ist es wichtig, dass wir mehr Geld als bisher für die Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Diskriminierung jeglicher Art ausgeben.“

Tatsächlich gibt es künftig mehr Geld für alle Bereiche außer Arbeit, der mit 158 Millionen Euro auf dem Niveau des bisherigen Haushalts bleib. Den größten Zuwachs gibt es im Bereich Soziales, dessen Etat von 240 auf 390 Millionen Euro steigt. So werden etwa für die beiden neuen 24/7-Einrichtungen für Obdachlose, die bislang über EU-Gelder finanziert worden waren, im neuen Haushalt pro Jahr 4,6 Millionen Euro eingestellt. Auch das Projekt Housing First, über das Obdachlose ohne Vorbedingungen eine Wohnung erhalten, wird auf insgesamt 8,8 Millionen Euro (bisher: 6,1 Millionen) aufgestockt.

Neu ist, dass die Kältehilfe für Obdachlose künftig nicht mehr über die Bezirke, sondern durch die Senatsverwaltung finanziert wird. Mit einem Etat von 6 Millionen Euro (vorher: 4,7) können die bisherigen Tagessätze von 17 Euro, die aufgrund der allgemeinen Preissteigerungen in Wirklichkeit längst doppelt so hoch sind, angepasst werden.

Im Bereich Antidiskriminierung steigt der Etat von 23 auf 30 Millionen, was vor allem der Landes-Antidiskriminierungsstelle (LADS) zugute kommt. Im Bereich Gleichstellung gibt es mit 50 Millionen gleich 25 Prozent mehr. Damit soll insbesondere die Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt finanziert werden. „Wir reagieren auf die steigenden Fallzahlen in der häuslichen Gewalt“, so Kiziltepe und kündigte den Ausbau von Frauenzentren an.

Grüne kritisieren „Wahlkampfhaushalt“

Kritik kommt von den oppositionellen Grünen: Der Fraktionsvorsitzende Werner Graf bezeichnete den Haushalt am Dienstag als „gefährliche Wette für die Zukunft“: „Nur weil man sich nicht über Prioritäten einigt, riskiert der Senat, dass der nächste Doppelhaushalt zu einem radikalen Sparhaushalt wird“, kritisiert der Grünen-Politiker das Aufbrauchen der Rücklagen. „Das ist eher ein Wahlkampfhaushalt als seriöse langfristige Finanzpolitik.“ Graf kritisiert zudem die in seinen Augen mangelnde Ausstattung der Bezirke, die zu einem Wegfall von sozialen Einrichtungen führe.

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