Hertha kämpft: Projekt Klassenerhalt

Vor dem großen Abstiegskampf gegen Freiburg am Dienstagabend sichert sich Hertha einen Punkt in Mönchengladbach – die Zuversicht ist zurück.

Noch Hoffnung: Hertha-Fans beim Spiel gegen Wolfsburg Ende März im Olympiastadion. Bild: dapd

Noch überraschender als der unerwartete Punktgewinn von Hertha BSC Berlin in Mönchengladbach waren die Worte, die Borussia-Trainer Lucien Favre nach der Partie am Samstagabend formulierte. Bis dato hatte es als offenes Geheimnis gegolten, dass die Gladbacher mit einer Verpflichtung des Berliner Kreativspielers Raffael liebäugeln.

Genau so ein Typ, ein torgefährlicher Vorlagengeber, der als hängende Spitze hinter den robusten Stürmern Mike Hanke und Igor de Camargo eingesetzt werden kann, fehlt der Borussia, wenn Marco Reus im Sommer nach Dortmund wechselt. Und Geld ist reichlich vorhanden beim Tabellenvierten – doch nun erklärte Favre: „Wir haben kein Interesse an Raffael, gar keins. Er ist ein sehr guter Spieler. Aber wir können das nicht machen.“

Dieses deutliche Statement war eine der vielen kleinen Erfreulichkeiten, die die Berliner nach dem 0:0 vom Niederrhein mit in die Hauptstadt brachten, wo am heutigen Abend der große Abstiegskampf gegen den SC Freiburg ausgetragen wird. Auch der Punkt, der tabellarisch vorerst keine größeren Auswirkungen hat, könne „am Ende Gold wert sein“, meinte Spieler Peter Niemeyer.

Am kostbarsten ist aber wohl der Eindruck, den Otto Rehhagel am Samstagabend in Worte fasste: „Heute hat die Mannschaft gezeigt, dass sie den Abstiegskampf letztlich und endlich angenommen hat“, verkündete der Trainer.Diese Erkenntnis hat möglicherweise enorme Auswirkungen auf die labile Konstitution der Berliner. Gerade rechtzeitig vor dem Freiburg-Spiel, das Rehhagel als „Entscheidungsschlacht“ bezeichnete, entwickelt die Hertha so etwas wie eine innere Stabilität und die Überzeugung von einem passenden Spielkonzept.

„Das war das dritte ordentliche Spiel hintereinander“, meinte Manager Michael Preetz – und es war die erste Partie, in der ein Gegner sich 90 Minuten lang fast vergeblich um eigene Torchancen bemühte. Nach dem 1:0 gegen Werder Bremen, der ersten Zu-Null-Partie der Hertha unter Rehhagel, hatte Klaus Allofs, der Manager des Gegners, noch von einem „grausamen Spiel“ seiner Mannschaft gesprochen.

Favre erklärte nun: „Ich bin zufrieden mit dem Ergebnis.“ Die Champions-League-Aspiranten von der holländischen Grenze waren froh, dass sie sich nicht hatten auskontern lassen, ein größeres Lob ist kaum denkbar für die Hertha. Die Berliner arrangieren sich offenbar langsam mit dem Rehhagel’schen Defensivfußball, der niemanden vom Hocker reißt, der aber seinen Zweck erfüllt. „Ich spiele lieber dreckig und zu null, als viele Chancen zu haben und dann zu verlieren“, sagte Andreas Ottl. „Wenn wir so weitermachen, bleiben wir drin.“

Die Zuversicht ist also zurück bei der gebeutelten Hertha, allerdings ist das zarte Pflänzchen auch schon wieder gefährdet. Eine Niederlage gegen die starken Freiburger könnte eine gewaltige Zerstörungskraft entwickeln, der Konkurrent wäre dann um schier uneinholbare acht Punkte enteilt.

Und es sind die drei Heimspiele, in denen die Berliner die nötigen Punkte erspielen müssen. Nach Freiburg gastieren noch Kaiserslautern und Hoffenheim in der Hauptstadt, neun Punkte aus diesen Partien würden wohl am Ende reichen. Hoffnungslos ist das Projekt Klassenerhalt also keineswegs. Die vielen Rehhagel-Skeptiker dürften nach den Eindrücken des Osterwochenendes zumindest bis Dienstagabend etwas ruhiger geworden sein.

Preetz jedenfalls nutzte die Gelegenheit zur Politur des eigenen angeschlagenen Images. Rehhagel zu verpflichten „war kein Irrtum“, erklärte er. Die anfänglichen Misserfolge seien lediglich Folge einer „schwierigen Phase mit vielen Verletzten und vielen Sperren“ gewesen. Forderungen nach einem Rücktritt des Managers seien „völliger Quatsch“.

Er will also weitermachen und glaubt fest an den Klassenerhalt. Zumal die Mannschaft möglicherweise eine Formation gefunden hat, die endlich stabil genug ist für den Underdog-Fußball ihres Retro-Trainers. Nach der Verletzung von Christoph Janker rückte Felix Bastians in die Innenverteidigung, Kobiashvili kehrte aus dem Mittelfeld zurück auf die linke Abwehrseite und Andreas Ottl kam neu ins Team. Diese Umstellungen haben gut funktioniert. Es wäre naheliegend, wenn Rehhagel diesen Verbund so weiterspielen lassen würde – aber bei diesem Mann weiß man ja nie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.