Hexenbrauch in Italien: Vom Freiheitskuchen zur Kohlensocke

Den Dreikönigstag feiert man in Frankreich mit der „Galette des Rois“. In Italien bringt stattdessen eine Hexe den Kindern „süße Kohle“.

Eine Hexenpuppe

Eine „Befana“ an einem Marktstand Foto: Joana Kruse/imago

Einer der schönsten Momente der französischen Endjahres-Festivitäten ist nicht zum Ende des alten, sondern zu Beginn des neuen Jahres und hat mit einem Kuchen zu tun. Die Torte an sich ist nichts Besonderes, ein Blätterteiggebäck mit recht schwerer Mandelcremefüllung, sogenannter Frangipane, nur liegt der Witz oder besser gesagt der bestechende Charme dieses Kuchens, der sogenannten Galette des Rois, des Kuchens der Könige und Königinnen, nicht in seinem Geschmack, sondern im Drumherum. Im Prozedere, mit dem sein Verspeisen verbunden ist.

Dieses geht in etwa so: Man lädt am 6. Januar, der „épiphanie“, dem Fest der Heiligen Drei Könige, Freunde oder seine Familie zum Essen ein und serviert zum Ende besagte Galette. Diese wird in die Zahl der Mitessenden geteilt, in der traditionellsten Ausführung kriecht die jüngste Person der Runde unter den Tisch und gibt an, welches Stück an welchen Gast gehen soll: „Dieses an Tante Marguerite, das an Cousin Elie, das an Colette“ und so weiter.

Man macht das nicht nur, weil es für das unter dem Tisch sitzende Kind lustig ist, sondern auch, weil man damit vermeidet, dass jemand schummelt. Schließlich geht es bei der Galette, wie erwähnt, weniger um den Kuchen als um das, was sich darin versteckt: Die fève, ein kleines Wesen aus Porzellan, ein Mann, eine Frau, ein Esel, Sonstiges. Wer die fève in seinem Stück findet (entweder weil sie schon mit der Gabel zu ertasten war oder er oder sie sich daran gerade fast einen Zahn ausgebissen hat), wird zum König oder zur Königin des Abends ernannt und mit einer goldenen Pappkrone ausgestattet.

Als ich klein war, feierten wir dieses Fest jedes Jahr. Selbst wenn wir in Deutschland waren, nötigte meine Mutter Freunde und Bekannte dazu, sich diesem Protokoll zu unterziehen, was immer gutging, in Deutschland gibt es, soweit ich weiß, nur eine wenig verbreitete Dreikönigstradition.

In Italien hingegen ist das anders. Die Torte hat hier eine ernstzunehmende Konkurrenz: Die Befana und ihre Socke. Befana ist eine Hexe, die in der Nacht des 5. auf den 6. Januar kommt und die zu ihren Ehren aufgehängten Socken der Kinder mit Geschenken bestückt. Waren sie brav, bekommen sie Süßigkeiten, waren sie ungezogen, legt die Dame ihnen Kohle, genauer: schwarzen Zucker, in den Strumpf.

Als ich vergangenen Samstag an der Piazza Navona an etlichen Hexenfiguren vorbeigelaufen war und in einer Patisserie in Trastevere dachte, ich könne mein Glück vielleicht doch noch mal versuchen, antwortete die Dame auf die Frage, ob sie einen Dreikönigskuchen haben: „Zur Epiphanie gibt es bei uns keinen Kuchen. Bei uns gibt es einen Strumpf.“

Tradition aus dem Römischen Reich

Wenn man es genau nimmt, ist das komisch, immerhin ist die Galette des Rois eng mit Italien, speziell Rom, verbunden. Es heißt, die Tradition gehe auf das Römische Reich zurück: Damals beendete (oder begann) man die Festzeit der „Saturnalien“, die Feste zur Wintersonnenwende, damit, dass man nach einem Bankett einen Kuchen verteilte, in dem eine weiße oder schwarze Bohne versteckt war. Der Sklave, der sie fand, wurde zum König ernannt und durfte sich einen Tag lang all seine Wünsche erfüllen lassen.

Sogar das Gebäck soll italienisch sein. So besagt die Legende, das Rezept der Frangipane, jener Mandelcreme, die zur klassischen Galette dazugehört, sei von einem gewissen Conte Cesare Frangipani in Florenz erfunden und Katharina von Medici zu ihrer Hochzeit mit dem zukünftigen französischen König Henri II. geschenkt worden.

Erst durch sie beziehungsweise ihn habe sich diese Version etabliert. So sehr, dass man sogar bei Louis XIV. Stallburschen und Hofdamen einlud, „die Könige zu ziehen“ und als Königspaar des Tages Vorschläge für neue Dekrete zu machen. Während der Revolution wurde der Kuchen weiter politisiert und zur „Galette de l’Égalité“ ernannt.

Nun finde ich in Italien, wie sich das als alles romantisierende Fremde gehört, grundsätzlich fast alles besser als dort, wo ich herkomme. Nur, weshalb man die Tradition des Kuchens der kurzweiligen Freiheit Frankreich überlassen hat und sich am 6. Januar stattdessen mit als Kohle getarnten Süßigkeiten und Socken begnügt, verstehe ich nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.