Human Rights Watch zu Mali: „Sie nahmen die Schwächsten“

Menschenrechtler und UN-Ermittler werfen Malis Armee schwere Verbrechen und Massaker an Zivilisten vor. Auch russische Söldner sind demnach beteiligt.

Soldaten aus einem Pick-Up.

Soldaten der malischen Armee in Bamako im Mai 2021 Foto: Nicolas Remene/Le Pictorium/imago

BERLIN taz | „Ich sah Reifen- und Motorradspuren und den Deckel einer 20-Liter-Plastikflasche, der nach frischem Benzin roch. Die Leichen lagen in Gruppen herum, unter Bäumen, in der Sonne. Bei manchen sahen die Köpfe aus, als habe man sie erschossen; andere hatten Löcher in der Brust. Ihre Kleidung war verbrannt, einige hatten gefesselte Hände und verbundene Augen.“

Diese Zeugenaussage findet sich in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) über Hinrichtungen von Zivilisten in Mali. Der Bericht behandelt Übergriffe von islamistischen Gruppen, lokalen Milizen und Regierungstruppen.

Die zitierte Szene bezieht sich auf ein Massaker durch Malis Armee in Danguère Wotoro in der Nähe des Dorfes Diabaly in der zentralmalischen Region Ségou, dem mutmaßlich am 2. März 35 Männer zum Opfer fielen. HRW spricht von der „schwersten Anschuldigung gegen Regierungssoldaten seit 2012“, also seit Beginn des bewaffneten Konflikts in Mali.

Videoaufnahmen der verkohlten Leichen zirkulieren seit dem 3. März und sorgen in Mali für Diskussionen. Vom „Massengrab von Niono“, benannt nach dem betroffenen Landkreis, ist oft die Rede. Der Tatort wird mal der Gemeinde Diabaly, mal der Nachbargemeinde Dogofry zugeschrieben, beide nahe der Grenze zu Mauretanien.

Auch ein UN-Team hat das Massaker untersucht und in einem noch unveröffentlichten Bericht schwere Vorwürfe gegen Malis Armee erhoben. Mehrere französische Medien haben weitere Zeugenaussagen eingeholt. Malis Generalstab hat das Video als „Montage“ zurückgewiesen und gegenüber HRW von „Fake News“ gesprochen.

Razzia mit tödlicher Folge

In der Region zwischen Niono und der mauretanischen Grenze operiert Malis Armee gemeinsam mit russischen Kämpfern der privaten Söldnertruppe Wagner. Zahlreiche Zivilisten seien dort in jüngster Zeit verschwunden, berichtet die französische Zeitung Le Monde. „Humanitäre Quellen“ werden zitiert, wonach in zwei Dörfern sieben Leichen voller Einschusslöcher gefunden wurden, nachdem eine malisch-russische Patrouillle zwei Dörfer durchsucht und Zivilisten mitgenommen hatte.

Russische Kämpfer seien im Militärcamp von Diabaly stationiert, wohin auch Gefangene gebracht worden seien. Immer wieder sagen Augenzeugen und Überlebende, sie hätten bewaffnete Weiße gesehen, die eine ihnen unbekannte Sprache sprächen – also nicht Französisch. Unter den Toten sind auch Hirten aus Mauretanien, was die dortige Regierung vergangene Woche dazu brachte, Malis Armee Verbrechen vorzuwerfen.

Die 35 Leichen des „Massengrabs von Niono“ sind den Berichten zufolge das Ergebnis einer Razzia durch Malis Armee am 20. Februar gegen Rückkehrer von einem Viehmarkt. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen und ins Militärcamp von Diabaly gebracht.

Nachdem einem die Flucht gelang, seien die Soldaten wütend geworden und hätten in der Nacht beschlossen, die völlig überfüllte Arrestzelle zu leeren, so HRW. Ihr Bericht zitiert einen Überlebenden der Haft: „Sie nahmen die Schwächsten – die mit gebrochenen Armen und Beinen und die, die keine Kraft mehr hatten – und befahlen ihnen, in die Lastwagen zu steigen. Ein alter Mann war so schwach, dass er zusammenbrach. Die Soldaten hoben ihn auf und warfen ihn hinein wie einen Sack Reis.“

Malis Armee wird von der EU-Trainingsmission EUTM Mali ausgebildet, an der die Bundeswehr beteiligt ist. Das Mandat dafür läuft Ende Mai ab. Die Bundesregierung entscheidet in diesen Tagen über ein neues Mandat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.