Hunderte Tote nach Großangriff in Syrien: Klarheit über Giftgaseinsatz gefordert

Berichte über Hunderte Tote bei angeblichen Giftgasangriff in Syrien schockieren die Welt. Eine Untersuchung des Vorfalls wird gefordert, aber Damaskus bleibt hart.

Ankunft eines Chemiewaffenexperten-Teams in Damaskus. Bild: dpa

NEW YORK dpa/afp | Nach dem massiven Bombardement mit angeblich Hunderten Toten nahe Damaskus sollen die derzeit in Syrien ermittelnden Chemiewaffen-Experten nach dem Willen der Vereinten Nationen die neuesten Giftgasvorwürfe untersuchen. Derweil berichten Gegner des syrischen Regimes am Donnerstag bereits von neuen Luftangriffen auf Dörfer östlich von Damaskus.

„Wir hoffen, dass die Regierung uns Zugang gewährt und dass es die Sicherheitslage zulässt“, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson am Mittwoch in New York nach einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Der Vorfall sei eine „große Eskalation“. Zwar gebe es bislang keine Bestätigung dafür, dass Giftgas eingesetzt worden sei, die Vorwürfe müssten aber „sobald wie möglich“ untersucht werden.

Bei dem Bombardement hat das syrische Regime am Mittwoch nach Angaben von Rebellen auch Giftgas eingesetzt und Hunderte Menschen getötet. Die Angaben verschiedener Gruppen zur Zahl der Opfer gingen extrem auseinander. Die Opposition sprach von bis zu 1360 Toten und vielen hundert Verletzten. Auf Bildern waren zahlreiche Leichen zu sehen, darunter auch Kleinkinder. Die Regierung in Damaskus verneinte entschieden, Giftgas in dem Gebiet eingesetzt zu haben. Sie bestritt aber nicht generell, dass die Armee Ziele im östlichen und südlichen Umland von Damaskus angegriffen hatte.

Die internationale Gemeinschaft forderte eine Untersuchung des Vorfalls. Es handele sich offensichtlich um ein entsetzliches Verbrechen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einer Veranstaltung der Stuttgarter Zeitung. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton verlangte, das UN-Team müsse uneingeschränkten Zugang zu allen Gebieten in Syrien haben, die sie besuchen wolle. Die Regierung und alle anderen Parteien in Syrien müssten mit der UN-Mission zusammenarbeiten.

Auch die USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und die Türkei setzen sich für eine rasche Untersuchung ein. Syriens Verbündete Russland und China verhinderten nach Diplomatenangaben eine förmliche Erklärung des Sicherheitsrats zu dem Thema. Daher habe sich das Gremium lediglich auf einzelne Formulierungen für die Öffentlichkeit einigen können.

Schockierende Videos

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erklärte, über eine Untersuchung am Ort des von der Opposition vermeldeten Giftgaseinsatzes der Armee werde mit Assad verhandelt. Syriens amtliche Nachrichtenagentur Sana wies die Vorwürfe allerdings als „völlig falsch“ zurück. Dies sei vielmehr ein Versuch, die derzeit in Syrien tätigen UN-Chemiewaffenexperten von der Erfüllung ihrer Aufgabe abzuhalten.

In Videos, deren Echtheit nicht überprüft werden konnte, waren dutzende Leichen zu sehen und Kinder in Atemnot, die in einem Krankenhaus mit Sauerstoff behandelt wurden. Aktivisten zufolge waren die örtlichen Krankenhäuser hoffnungslos überfüllt.

Experten schätzten die Beweiskraft der Videos zurückhaltend ein. Sie sei nicht vollkommen überzeugt, da die Helfer keine Schutzkleidung und Gasmasken trügen, sagte Paula Vanninen vom Finnischen Institut für die Überprüfung der Chemiewaffenkonvention. „In einem echten Fall wären auch sie vergiftet und würden Symptome zeigen.“

Besuch nicht erlaubt

Der Chef des UN-Expertenteams, Åke Sellström, zeigte sich zu einer Untersuchung bereit. Die Vereinten Nationen haben nach Angaben des stellvertretenden Generalsekretärs Eliassons bereits mit der syrischen Regierung darüber gesprochen. „Momentan lässt die Sicherheitslage einen Zugang aber nicht zu.“ Zudem will die syrische Regierung kurzfristig keinen Besuch der UN-Experten in dem umkämpften Gebiet östlich von Damaskus erlauben.

Der syrische Informationsminister, Omran al-Soabi, sagte im arabischsprachigen Programm des russischen Senders Russia Today, die Chemiewaffen-Experten könnten nicht einfach spontan den Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija inspizieren. Dafür bedürfe es vorab einer „Vereinbarung mit der Regierung“.

Auch der Sicherheitsrat sprach sich für eine rasche, umfassende und unabhängige Untersuchung der Vorwürfe aus. Das Gremium sei sehr besorgt, sagte die argentinische UN-Botschafterin und derzeitige Ratsvorsitzende María Cristina Perceval nach der Sitzung hinter verschlossenen Türen.

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