Höher, schneller, weiter: Volk soll Spiele wollen

Hamburg will die BürgerInnen über eine Bewerbung für Olympische Spiele 2024 abstimmen lassen. Ein Referendum aber kennt die Landesverfassung nicht.

Olaf Scholz war mit Thomas Bach 2012 schon mal auf Sportstätten-Tour Bild: dpa

HAMBURG taz | Das Volk soll entscheiden, ob es außer Brot auch Spiele will – Olympische Spiele in Norddeutschland mit dem Zentrum Hamburg. Schon parallel zur Bürgerschaftswahl am 15. Februar 2015 könnten die HamburgerInnen in einem Referendum darüber abstimmen, ob ihre Stadt sich für die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 bewerben soll. Das Dumme ist nur: In der Hamburger Verfassung sind Referenden gar nicht vorgesehen, in einem parlamentarischen Kraftakt müsste die Bürgerschaft deshalb kurzfristig eine „Lex Olympia“ beschließen.

Am Sonntag hatte sich Hamburgs Innen und Sportsenator Michael Neumann (SPD) mit dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Alfons Hörmann, zum vertraulichen Mittagessen getroffen. Die Ergebnisse: Hamburg würde wollen, der DOSB ebenfalls. Einziger Konkurrent könnte Berlin sein, bis Dezember solle das geklärt werden.

Das Hamburger Konzept liegt in den Grundzügen bereits seit mehr als einem Jahrzehnt vor. Das Zentrum der Sportstätten soll am Ostrand der Hafencity und auf nahe gelegenen Hafenflächen liegen, die perspektivisch ohnehin für die weitere Stadtentwicklung vorgesehen sind (siehe Kasten).

Stadien gibt es schon

Hamburg hatte sich zu Beginn des Jahrtausends beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für die Olympischen Spiele 2012 beworben.

Das Konzept: Das Zentrum mit Olympiastadion, Olympia-Dome und Schwimmstadion sowie dem Olympischen Dorf sollte in der damals noch unbebauten Hafencity und auf dem Kleinen Grasbrook am Elbufer gegenüber liegen.

Die Region: Segeln vor Kiel; Bahnradfahren in Bremen; Fußball, Handball und Basketball auch in Bremen, Hannover, Schwerin, Rostock, Lübeck und Kiel.

Das Ergebnis: Das NOK entschied sich im April 2003 aus gesamtdeutscher Perspektive für Leipzig und scheiterte damit international in der ersten Runde. Die Spiele 2012 fanden in London statt.

Die Stadien des HSV und des FC St. Pauli stünden ebenso zur Verfügung wie drei große Sporthallen und fast 90.000 Quadratmeter in den elf Messehallen mitten in der Stadt. Für die Fußballturniere der Frauen und Männer würden auch die Arenen der norddeutschen Bundesligisten genutzt, in Bremen, Hannover und Kiel wären große Hallen für Ballsportarten ebenfalls verfügbar, gesegelt würde vor Kiel, Travemünde oder Warnemünde auf der Ostsee.

Neumann kann sich zudem Sportstätten vorstellen wie ein Olympiastadion, das nach den Spielen auf etwa ein Viertel der Zuschauerkapazität zurückgebaut würde. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) schwärmt bereits von Olympia als „Riesenchance für die gesamte Metropolregion“.

Nach Einschätzung des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) müssten „alle Maßnahmen und Investitionen auch unabhängig von Olympia in Bezug auf die Stadtentwicklung sinnvoll sein“, sagt HWWI-Professor Henning Vöpel. „Andernfalls ist nach zwei Wochen alles vorbei.“ Zugleich mahnt Vöpel eine frühe Einbindung der Bürger in das Vorhaben an.

Volksgesetzgebung gibt's nur von unten

Und da wird es kompliziert. Auch Neumann glaubt, dass eine solche Großveranstaltung „nur mit einem breiten gesellschaftlichen Konsens erfolgreich sein kann“. Das zeige die im November 2013 an Bürgerentscheiden gescheiterte Bewerbung Münchens um die Winterspiele 2022. Deshalb wird im Rathaus erwogen, die BürgerInnen in zehn Monaten per Referendum über die Spiele entscheiden zu lassen.

In Hamburg gibt es aber nur eine Volksgesetzgebung „von unten“: Bürger initiieren Volksbegehren und Volksentscheide gegen Beschlüsse der Politik. Senat oder Bürgerschaft dürfen bislang nicht von sich aus den BürgerInnen Fragen zur Entscheidung vorlegen.

Dafür müsste zunächst die Landesverfassung mit Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden. Die Oppositionsparteien CDU und FDP würden da wohl mitmachen. CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich will „eine parteiübergreifende Zusammenarbeit für den Traum von Olympia“, die Grünen überlegen noch. Sie wollen „rasch“, sagt Verfassungsexperte Farid Müller, ein Rechtsgutachten über Details wie Zustimmungsquoren und Fristen vergeben, „damit wir noch vor der Sommerpause eine Entscheidungsgrundlage haben“.

Am Verein „Mehr Demokratie“, der die Volksgesetzgebung in Hamburg erzwang, „würde das nicht scheitern“, sagt Vorstandsmitglied Manfred Brandt. „Referenden sind im Grundsatz eine positive Sache.“ Nur Die Linke kann sich mit Olympia nicht anfreunden. „Wir wollen den Sport fördern“, sagt der Abgeordnete Mehmet Yildiz, „nicht die Profite des Internationalen Olympischen Komitees.“

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