Ich und meine Gastfreundschaft: Die Corona-Hilfe

Endlich bin ich Deutscher durch und durch und Corona schützt mich auch noch vor meinem orientalischen Freundeskreis. Dachte ich.

Konfitüre, Toastbrot und Butter stehen in einem Kühlschrank.

Für den Inhalt des Kühlschranks hat orientalische Gastfreundschaft gravierende Folgen Foto: dpa / Marc Tirl

Nach gefühlt 100 Jahren in Deutschland bin ich endlich über den Berg! Ich meine damit aber nicht die bayrischen Alpen, sondern ich habe mich doch noch integriert – und zwar gründlich! Bin waschechter Deutscher geworden. Jetzt bin ich weder Deutscher mit Migrationshintergrund noch Türke mit Migrationsvordergrund. Sondern eine stinknormale Kartoffel wie du und ich, die unangemeldet in seine heilige Privatsphäre hereinstürmende sogenannte „Gäste“, abgrundtief hasst. Die Gäste, die sich vorher anmelden, hasse ich noch mehr, da kann ich nämlich nicht mehr so tun, als wäre ich nicht da.

Umso mehr freue ich mich, dass ich von dieser chronischen Krankheit, genannt „orientalische Gastfreundschaft“, endlich völlig geheilt worden bin.

Ich kann mir im Nachhinein nicht mal mehr erklären, weshalb ich all die Jahre irgendwelche als Gäste getarnte Halunken persönlich einladen, geschweige denn sie gemocht haben könnte. Wofür sind diese Schnorrer denn überhaupt gut, dass man sie freiwillig ins Haus lässt?

Essen einem den ganzen Kühlschrank leer, saufen einem eimerweise Tee und Bier weg, stören beim Fernsehen und lassen bis zum Morgengrauen nicht schlafen. Es ist mir richtig schleierhaft, wie ich solche Blutegel jeden Tag ertragen konnte. Ich muss wohl in der Hinsicht stark masochistische Neigungen gehabt haben, die ich nach jahrelanger Intensivbehandlung – dank der tatkräftigen Unterstützung meiner fürsorglichen Nachbarn Oma Fischkopf von oben und Opa Prizibilsky von unten, die jedes Mal lautstark mit der Polizei gedroht haben, wenn ich Gäste hatte –, erfolgreich auskuriert habe.

Leider wusste ich damals, gefangen in meiner orientalischen Denkweise, ihre große Fürsorge nicht richtig einzuschätzen.

Keine Lügen mehr

Voller Freude über meine späte Genesung komme ich von der Arbeit strahlend nach Hause und rufe höchst erleichtert:

„Eminanim, dieses blöde Corona hat doch was Gutes gehabt. Wir brauchen nicht mehr das ganze Haus zu verdunkeln und uns im Keller zu verstecken, oder irgendwelche andere Lügen zu erfinden, damit man uns in Ruhe lässt. Dank Corona können uns die Blutsauger Nedim, Hasan, Ahmet, Ismail und Konsorten und deren Schnorrer-Weiber nicht mehr Tag für Tag belästigen. Selbst die Coronaviren sind mir viel lieber als diese rücksichtslosen Parasiten“, grinse ich wie Honigkuchenpferd und betrete überglücklich das Wohnzimmer.

„Osman, seit heute dürfen in geschlossenen Räumen wieder bis zu zehn Leute zusammenkommen“, stammelt Eminanim mit hochrotem Kopf, umzingelt von viel mehr Rotköpfen, die mich wenig freundlich anglotzen. Als da wären: Nedim, Hasan, Ahmet, Ismail und ihre Schnorrer-Weiber!

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ist Satiriker in Bremen. Zu hören gibt es seine Kolumnen unter https://wortart.lnk.to/Osman_Corona. Sein Longseller ist der Krimi „Tote essen keinen Döner“ (dtv).

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