Ilse Aigner: Die Absteigerin

Die Verbraucherschutzministerin erhält den „Dinosaurier des Jahres“ – eine negative Auszeichnung von Umweltlobbyisten. In Berlin hat Aigner wenig Zukunft.

Berlin liegt Ilse Aigner nicht so. Bild: dapd

BERLIN taz | Der Ökoverband Nabu hat Ilse Aigner (CSU), Bundesministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, am Donnerstag den „Dinosaurier des Jahres 2012“ verliehen, eine 2,6 Kilogramm schwere aus Zinn gegossene Echse.

Mit diesem Preis zeichnen die Umweltlobbyisten jedes Jahr Politiker, Manager oder Lobbyisten aus, die sich „sowohl durch herausragende Einzelleistungen als auch durch die Summe ihres Gesamtwerkes in Sachen Umweltschutz negativ hervorgetan haben“. Ilse Aigner ist die erste Frau, die den Preis bekommt. Persönlich entgegengenommen hat sie ihn nicht – wie viele ihrer Vorgänger auch nicht. Darunter etwa ihr CSU-Kollege, der Ex-Bundeswirtschaftsminister Michael Glos.

Ilse Aigner hat den Posten in der Bundeshauptstadt im Oktober 2008 von Horst Seehofer übernommen, der als Ministerpräsident nach Bayern wechselte. Und seitdem? Im April 2009 verbietet Aigner den Gen-Mais MON810. Einen Monat später genehmigt sie den Feldversuche mit der Gen-Kartoffel Amflora. Anfang 2011 stellt sich heraus, dass Hühner, Puten und Schweine dioxinvergiftetes Futter fraßen.

Die Bundesministerin verschanzt sich zunächst hinter der formalen Zuständigkeit der Länder, verabschiedet dann einen „14-Punkte-Plan“. Verbindliches findet sich darin kaum. Wenige Monate danach kommt die Ehec-Krise. Erst verkennt Aigner den Ernst der Lage, am Ende ruft sie eine Task-Force von Bund und Ländern ins Leben. Aigner gilt fortan als zögerlich.

Da hilft es auch nicht, dass sie ihr Facebook-Konto kündigte, weil der Konzern die Privatsphäre seiner Mitglieder ignorieren würde. Dass sie die App „Der kleine Lebensmittelretter“ schaltet, damit weniger Brot und Obst im Müll landet. Und dass sie verspricht, Bankkunden gegen Falschberatung schützen. Aigner, sagen ihre Kritiker, bewegt zu wenig. Besser gesagt: Sie belässt vieles beim Alten.

Harsche Kritik vom Naturschutzubund

„Rückwärtsgewandt“, „enttäuschend“, „von Lobbyinteressen geleitet“ sei ihre Politik, kritisierte Nabu-Präsident und Dinosaurierverleiher Olaf Tschimpke am Donnerstag. Aigner modernisiere die Landwirtschaft nicht, mache sie nicht grüner und tierfreundlicher. So habe sie sich zuletzt dafür stark gemacht, Sex mit Tieren zu bestrafen, aber lasse weiterhin zu, dass Ferkeln die Schwänze abgeschnitten werden. Sie folge also „im Wesentlichen“ den Wünschen der Agrarindustrie und gefährde so „die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft“.

An den Nabu gehe „die blinde Nuss des Jahres“, meckerte daraufhin Aigners Sprecher. So unterstütze Deutschland „klar“ die EU-Kommission, die die Bauern dazu bringen will, ökologischer zu arbeiten. Aigner wolle die 57 Milliarden Euro, die jedes Jahr an die Bauern in der EU fließen, an Umweltauflagen koppeln. „Greening“ heißt das im EU-Sprech. Die Verhandlungen treten Anfang 2013 in die heiße Phase. Aigner, erklärte ihr Sprecher weiter, wolle nur keine Vorgaben, die „außer enormem bürokratischem Aufwand keine messbare Wirkung entfalten“ würden.

Dem hält Ulrich Jasper, der die Verhandlungen der Agrarminister in Brüssel für die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft verfolgt, jedoch entgegen: „Aigner hat sich selbst nie für wirksame ökologische Vorgaben starkgemacht.“ Sie könne fordern, Maismonokulturen zu verbieten, den Erhalt von Wiesen zu fördern und für Feldlerchen und Kiebitze Platz zu schaffen – aber das mache sie nicht.

Im September dieses Jahres kündigte Ilse Aigner an, ihren Ministerposten 2013 gegen einen Platz im bayerischen Landtag einzutauschen. Sie hat in Bayern womöglich mehr zu gewinnen als in Berlin.

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