Imageprobleme von Facebook: Plötzlich voll uncool

Facebook wächst und wächst. Aber längst nicht mehr in allen Teilen der Welt. Vor allem junge Nutzer in den USA wenden sich ab.

Verliert Facebook seine jungen Nutzer? Mark Zuckerberg bei einer Präsentation. Bild: ap

BERLIN taz | Facebook hat ein Problem: Es wächst. Über eine Milliarde Nutzer weltweit sind es bereits. Aber jetzt begehen die jungen Nutzer in den USA Landflucht, weil das Netzwerk altert. Ist Facebook plötzlich uncool?

Aktuelle Zahlen von der Internetanalysefirma Socialbakers zur weltweiten Nutzung von Facebook belegen diesen Verdacht. Diese zeigen einen deutlichen Rückgang der Nutzer in den USA. Dort allein sei die Anzahl der User in den letzten drei Monaten um 3,8 Millionen gesunken. Auch in Deutschland verabschiedeten sich fast 300.000 aktive Nutzer. Bei den über 30-Jährigen steigen die Nutzerzahlen allerdings noch.

Zwar sind die Nutzerzahlen häufig Schwankungen ausgesetzt, aber ein Trend bei den jüngeren Nutzern lässt sich dennoch feststellen. Das bestätigt auch Stefan Aufenanger, Professor für Medienpädagogik an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität: „Jugendliche wollen unter sich bleiben. Wenn die Eltern plötzlich bei Facebook auftauchen, ist es ganz schnell nicht mehr in, selbst dabei zu sein.“

In den USA haben sich die Kräfteverhältnisse bereits verschoben. In einer Studie befragte der Mitbegründer des Bloggingdienstes Posterous Gary Tan Anfang des Jahres über 1.000 Jugendliche zwischen 13 und 25 Jahren zu deren Nutzung von sozialen Netzwerken. Überraschenderweise landete der Microbloggingdienst Tumblr auf Platz eins und ließ den großen Konkurrenten Facebook hinter sich. Auf Tumblr werden vor allem Bilder und animierte Fotos geteilt.

Das Ende von SchülerVZ

In Deutschland ist Facebook allerdings immer noch Spitzenreiter. Laut der jährlichen JIM-Studie des medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest sind 81 Prozent der deutschen Jugendlichen auf Facebook aktiv. Onlinetrends aus den USA erreichen Europa und Deutschland jedoch meistens erst nach einer gewissen Verzögerung. So war es bereits in der Zeit vor Facebook, als hier noch die VZ-Netzwerke auf Platz eins standen. „Beispiele wie Schüler- oder StudiVZ zeigen, wie schnell es mit einem sozialen Netzwerk bergab gehen kann“, sagt Stefan Aufenanger.

Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass SchülerVZ zum 30. April eingestellt wird. Dass Jugendliche aber auch hierzulande Facebook den Rücken kehren und sich anderen Netzwerken zuwenden, ist auch für Aufenanger vorstellbar. Derzeit gebe es allerdings noch zu wenige Alternativen, die sich durchgesetzt haben.

Ein weiterer Grund, warum junge Nutzer Facebook immer häufiger fernbleiben, ist ein verändertes Surfverhalten. Der Trend geht zum Smartphone und dadurch auch zu geschlosseneren Freundeskreisen. „Die Anzeichen deuten darauf hin, dass Teenager und junge Menschen sich von Facebook entfernen und privateren Nachichtendiensten wie Snapchat und WhatsApp zuwenden“, schreibt Parmy Olsen in einem Artikel für das US-Wirtschaftsmagazin Forbes.

Diese Apps haben die klassische SMS auf den mobilen Alleskönnern quasi obsolet gemacht. Wie wichtig solche Dienste sind, zeigen auch die jüngsten Gerüchte über eine mögliche Übernahme von WhatsApp durch Google. Beim Kaufpreis soll es sich um einen neunstelligen Dollarbetrag handeln.

„Jugendliche entwickeln ein Bewusstsein für ihre Daten“

Für Stefan Aufenanger liegt der Erfolg von WhatsApp und Co. in der schnellen und direkten Kommunikation. Zudem seien die Kontakte wesentlich familiärer als bei Facebook, bei dem es üblich sei, auch mit losen Bekanntschaften „befreundet“ zu sein. Der Bildnachrichtendienst Snapchat löscht die versendeten Bilder automatisch nach spätestens zehnsekündiger Betrachtung.

Mit dem eingebauten Selbstzerstörungsmechanismus positioniert sich der Dienst gegen Facebook, das noch immer das Image eines Datenkraken hat. Aufenanger sagt: „Jugendliche entwickeln durchaus ein Bewusstsein für ihre Daten.“ Der JIM-Studie zufolge schützen 87 Prozent der Jugendlichen in Deutschland ihre Daten in Onlinecommunitys durch Privatsphäreeinstellungen.

Facebooks Kampfansage im mobilen Bereich hat Vorstandsvorsitzender Mark Zuckerberg letzten Donnerstag persönlich vorgestellt. Lange wurde spekuliert über ein mögliches Facebook Phone. Die Antwort des US-amerikanischen Internetkonzerns ist eine für Facebook optimierte Version des Google Betriebssystems Android. Facebook Home soll einen einfacheren und unkomplizierteren Weg ermöglichen, mit seinen „Freunden“ über Smartphone in Kontakt zu treten.

Dass soziale Netzwerke und deren mobile Verwendung weiterhin eine große Rolle spielen werden, davon ist Stefan Aufenanger überzeugt. „Soziale Netzwerke werden sich zukünftig allerdings weitaus zielgruppenorientierter ausrichten“, sagt er. Das zeige sich bereits heute an den Erfolgen von Diensten wie der Online Pinnwand Pinterest oder dem mobilen Navigationsnetzwerk Waze zum Austausch der besten Reisemöglichkeiten.

Facebook ist mit seiner Milliarde Nutzer das Gegenteil von zielgruppenorientiert. Die Tür steht weiterhin jedem offen. Bald ist auch der letzte Greis online. Kein Wunder, dass es die Jüngeren dann woandershin zieht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.