Imagewandel bei rechter Partei in Polen: Wir sind keine Hooligans

Die rechtsradikale Konfederacja befindet sich im Umfragehoch: drittstärkste Kraft. Sie will eine Partei der Mitte werden.

Slawomir Mentzen mit Mikrofon.

Slawomir Mentzen, Co-Vorsitzender der Konfederacja, bei einer Veranstaltung in Warschau im Juni Foto: Andrzej Iwanczuk/NurPhoto/imago

WARSCHAU taz | Der junge Mann kommt wie ein Politstar auf die noch dunkle Bühne: dynamische Musik, Lichtspektakel und tosender Applaus. Zum Auftakt des Parteitreffens „Auf ein Bier mit Mentzen“ hebt der Rechtsaußen-Politiker Slawomir Mentzen (36) eine volle Maß Bier und ruft den knapp tausend Gästen zu: „Guten Abend, Krakau!“

Wie eine große Bierhalle wirkt der Saal im ehemals jüdischen Stadtviertel Kazimierz, doch außer Mentzen prostet niemand einem anderen zu. Da die bislang rechtsradikale Partei Konfederacja (Konföderation) ihren potenziellen Wählern empfahl, sich für das Event „in Schale“ zu werfen, sind auch keine Lederjacken mit Fascho-Symbolen zu sehen.

Denn die Konfederacja will sich noch vor den polnischen Parlamentswahlen Mitte Oktober neu erfinden: weg vom bisherigen Schmuddelimage grölender Hooligans und Nationalisten hin zu einer Volkspartei in der Mitte der Gesellschaft.

Die Politiker der etablierten Parteien können den kometenhaften Aufstieg der Konfederacja von gerade mal 6 Prozent bei den Wahlen 2019 zur heute drittstärksten Kraft kaum fassen. Bei der berühmten Sonntagsfrage „Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Parlamentswahlen wären?“ erreicht die Konfederacja laut Forschungsinstitut IBRIS inzwischen bis zu 15 Prozent der Stimmen.

Der Rundfunk ist zum Staatssender mutiert

Sie liegt damit nur hinter den regierenden Nationalpopulisten der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) mit knapp 34 Prozent und der größten Oppositionspartei, der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) mit 28 Prozent. Auf Platz 4 und 5 im Parteienranking kommt mit jeweils rund 10 Prozent sowohl der „Dritte Weg“, eine relativ neue Koalition aus gemäßigter Bauernpartei PSL und der liberal-katholischen „Polska2050“, als auch die „Neue Linke“, ein Bündnis mehrerer linker Kleinparteien.

Umgerechnet auf die Mandate im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, würde das bedeuten, dass die PiS 182 Sitze erhielte, die PO 150, die Konfederacja 53, der Dritte Weg 38, die Neue Linke 36 und das Wahlkommitee Deutsche Minderheit 1 Sitz. Bei einer Gesamtzahl von 460 Mandaten müsste die PiS eine Koalition mit der Konfederacja bilden, um mit 235 Stimmen im Sejm regieren zu können, während die PO sogar mit dem Dritten Weg und der Neuen Linken auf keine Mehrheit käme.

Für Polen würde das bedeuten, dass es auf unabsehbare Zeit zu keiner Rückkehr zu Demokratie und Rechtsstaat käme: Die Gewaltenteilung ist nach acht Jahren PiS fast vollständig aufgehoben, das Verfassungsgericht nur noch Fassade, die Gerichte zum großen Teil mit PiS-loyalen Richtern besetzt.

Der einstige öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seinen zahlreichen Fernseh- und Radiosendern ist erst zum Staatssender mutiert und – vor den Wahlen im Herbst – zum PiS-Parteisender. Korruption und Vetternwirtschaft werden im PiS-Staat kaum noch zur Anklage gebracht.

PiS wolle „auf gar keinen Fall“ mit Konfederacja koalieren

Zwar kanzelte Jaroslaw Kaczynski, PiS-Chef und seit einigen Wochen wieder als Vize-Premier in der PiS-Regierung, Mentzen & Co am Montag in Südostpolen als „Wirrköpfe und Kinder“ ab, doch über Donald Tusk, den PO-Chef, sagt er, dass „dieser wahre Feind Polens“ gefälligst „nach Deutschland verschwinden“ solle. Die PiS werde auf gar keinen Fall mit der Konfederacja koalieren. Doch schon heute stimmen Abgeordnete beider Parteien im Sejm oft gemeinsam ab.

Mit dem Satz „Wir wollen ein Polen ohne Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und die Europäische Union“, geriet Mentzen, der auch Doktor der Ökonomie, Besitzer mehrerer Steuerbüros und einer Mini-Brauerei ist, 2019 in die Schlagzeilen, gewann aber kein Mandat.

Im derzeitigen Wahlkampf wiederholt er den Satz in Variationen, tauscht die „Juden“ darin schon mal gegen „Ukrainer“ oder „Flüchtlinge“ aus, setzt aber gleich hinzu: „Es ist ein Scherz! Ihr Journalisten: Nehmt den Satz nicht in die Schlagzeile auf!“. Wie die potenziellen Wähler das Programm der Konfederacja verstehen, ist allerdings auch klar. Sie johlen lauthals und begeistert.

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