Immobilien- und Warenhauskonzern in Not: Das Kartenhaus bricht zusammen

Die Krise Signas könnte das Aus für die umstrittenen Großprojekte am Ku'damm und Hermannplatz bedeuten. Aber auch das Ende Galeria-Karstadt-Kaufhofs.

Angesichts der drohenden Signa Pleite ist auch die Zukunft von Galeria-Karstadt-Kaufhof ungewiss Foto: Jesco Denzel/laif

BERLIN taz | Lange schien der Siegeszug des Immobilien- und Einzelhandel-Moguls René Benko unaufhaltsam. Gegen alle politischen Widerstände konnte sein Unternehmen Signa bislang ihre prestigeträchtigen Hochhausprojekte in Berlins besten Lagen vorantreiben. Doch nun droht der österreichische Milliardär an seinem eigenen Geschäftsmodell zu scheitern. In der Immobilienkrise macht das hochverschuldeten Firmengeflecht Millionenverluste, immer mehr In­ves­to­r:in­nen wenden sich von Benko ab. Drohen nun Bauruinen und eine neue Galeria-Pleite?

Derzeit überschlagen sich die Schreckensnachrichten aus Benkos Immobilienimperium. Erst vergangene Woche wurden die Bauarbeiten am Hamburger Elbtower eingestellt, am Freitag berichtete das Handelsblatt von einem internen Brandbrief, in dem die Gesellschafter des Konzerns Benko dazu aufforderten, sich bis auf Weiteres aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen und an den Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz zu übergeben.

Am Montag berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass Commerz Real die Zusammenarbeit mit Signa beim gerade im Bau befindlichen Mynd-Hochhausprojekt am Alexanderplatz aufkündigt. Erst im Juni hatte Signa die Immobilie an die Fondsgesellschaft verkauft, kümmerte sich aber bislang noch um die Projektentwicklung.

„Es hat sich bestätigt, wovor wir seit Jahren gewarnt haben“, sagt Katalin Gennburg, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion der taz. „Dass ihn jetzt seine treuesten Wegbereitern rausschmeißen wollen, zeigt, wie dramatisch die Lage sein muss.“

Karstadt Hermannplatz Bei dem ambitionierten Umbau der Karstadt-Filiale am Hermannplatz handelt es sich wohl um Signas kontroversestes Projekt in Berlin. Der 1950er-Jahre-Bau soll komplett entkernt werden und dafür durch eine monumentale Rekonstruktion des Art-déco-Baus aus den 1920er entstehen. Geg­ne­r:in­nen kritisieren die reaktionäre Disney-Architektur und befürchten weitere Verdrängung im einkommensschwachen Kiez.

Karstadtareal am Ku'damm Auch in der City West will Signa großzügig abreißen und neu bauen. Durch hartnäckiges Lobbyieren, setzte das Unternehmen eine Bebauung mit zwei 134 und 79 Metern hohen Türmen durch. Unter anderem wurde ein kritisches Mitglied des Baukollegiums auf Druck Signas ersetzt. Noch 2018 lehnte das Gremium Hochhauspläne für den Standort ab. (taz)

Krise vorprogrammiert

Eine offizielle Stellungnahme Signas zu den Entwicklungen steht noch aus. Auch auf taz-Anfragen reagierte der Konzern bislang nicht. Fest steht, Signa steckt tief in der Krise und benötigt dringend frisches Kapital, da ansonsten die Zahlungsunfähigkeit droht.

„Signas Wachstumskurs war nur möglich, weil man Immobilien sehr aggressiv bewertet hat“, sagt Wirtschaftswissenschaftler und Signa-Experte Leonhard Dobusch der taz. Signa kaufte Immobilien in guten Lagen zu günstigen Preisen, steigerte sie im Wert, und nahm auf deren Grundlage Kredite für neue Projekte auf. Ein schuldenfinanzierter Wachstumskurs, „der nur mit niedrigen Zinsen funktioniert“, erklärt Dobusch.

Mit steigenden Zinsen und hohen Baukosten brechen die Immobilienbewertungen ein, was zu Schwierigkeiten führt, an neues Geld zu kommen. „Die größte Gefahr ist, dass Signa auslaufende Kredite nicht mehr refinanzieren kann“, sagt Dobusch. Ziehen dann noch verunsicherte In­ves­to­r:in­nen Kapital ab, wäre auch eine Insolvenz nicht ausgeschlossen.

Ob es in Berlin auch zu Baustopps kommen wird, ist noch unklar. Ein Glücksfall dürfte sein, dass sich Signas ambitionierteste Projekte, zwei Hochhausbauten am Hermannplatz und am Kurfürstendamm, noch in der Planungsphase befinden (siehe Kasten).

Kooperation in der Kritik

Pikant ist, dass gerade der Senat die Planung für die beiden Projekte vorantreibt. In beiden Fällen stellt dieser gerade einen „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ auf. Dabei handelt es sich um ein beschleunigtes Verfahren, das besonders auf die Bedürfnisse von In­ves­to­r:in­nen zugeschnitten ist.

Grundlage für das Entgegenkommen des Senats war ein umstrittener Deal mit Signa im Zuge der ersten Galeria-Insolvenz 2020. Im Gegenzug für den Erhalt von vier von der Schließung der bedrohten Filialen sicherte der Senat zu, die Planung für drei umstrittene Großprojekte voranzutreiben, die an Widerständen in Politik und Verwaltung zu scheitern drohten.

„Der Senat muss die Zusammenarbeit mit Signa beenden“, fordert Julian Schwarze, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Grünen. Vorhabenbezogene Bebauungspläne erforderten finanzstarke und verlässliche Partner, so Schwarze. Zu erwarten sei, dass Signa die Immobilien nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens ohnehin verkaufen wird, um an Kapital zu kommen.

Durch die Schaffung von Baurecht werden diese nämlich enorm im Wert gesteigert. „Der Senat unterstützt damit Signas marodes Geschäftsmodell“, kritisiert Schwarze. Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) gab sich im Stadtentwicklungsausschuss am Montag wenig handlungsfreudig und kündigte an, die Situation bei Signa zunächst prüfen zu wollen.

Galeria in Gefahr

Mit der Krise der Immobiliensparte verdüstern sich auch die Zukunftsaussichten für Galeria. Erst im Mai wurde das zweite Insolvenzverfahren innerhalb von drei Jahren beendet, Signa sagte Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe zu, um den Warenhauskonzern zu sanieren. Fraglich ist, ob Signa diese Zusagen einhalten wird.

Katalin Gennburg fordert daher, sich schon jetzt auf den Worst-Case vorzubereiten. „Der Stadtentwicklungssenator sollte sich ernsthafte Gedanken machen, wie er die Innenstädte vor dem Zusammenbruch Signas schützt.“ Um Arbeitsplätze zu sichern schlägt Gennburg vor, die Warenhäuser zu rekommunalisieren.

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