Individualisierte Reklame im Netz: Kein Gesetz regelt heikle Werbung

Es ist eine umstrittene Form von Reklame: Verhalten von Internet-Nutzern wird überwacht, um ihnen passende Banner vorzulegen. Nun wollen Werber sich selbst Regeln setzen.

Achtung beim Surfen - Werber lesen mit. Bild: dpa

BERLIN taz Es klingt ein bisschen unheimlich: Beim so genannten Behavioral Targeting versuchen Internet-Konzerne und große Werbeagenturen, möglichst viele Informationen über das Verhalten eines Online-Nutzers bei seiner Tour durchs Web zu sammeln, um ihm dann anschließend möglichst genau passende Reklame einzublenden. Wer beispielsweise auf mehreren Angeboten von Flugsuchmaschinen surft und sich über Reisepreise nach New York informiert, erhält dann etwa eine Anzeige vorgesetzt, die ihm einen billigeren Trip oder ein günstiges Pauschalangebot verspricht. Andere erfasste Faktoren zu Ermittlung passender Werbestrategien sind etwa die geographische Herkunft eines Users, bei bestimmten Suchmaschinen eingegebene Begriffe oder demographische Daten, die sich von grob bis fein aus dem Nutzungsverhalten ableiten lassen.

Besonders effektiv möglich wird diese Technik, weil große Werbenetzwerke inzwischen über enorme Reichweiten verfügen. Damit wird ein Nutzer nicht nur zu Reklamezwecken auf einzelnen großen Angeboten verfolgbar, sondern über verschiedene Websites hinweg. Entsprechende Logdateien lassen sich speichern und in Echtzeit analysieren, Cookies, kleine Datenkrümel, sorgen dafür, dass ein Nutzer auch bei einer späteren Einwahl ins Internet am selben Rechner wiedererkannt wird, wenn sich seine Netz-Adresse (IP) verändert. Werbetreibende halten Behavioral Targeting für besonders attraktiv, weil es ihnen nähere Informationen über den Personenkreis vermittelt, dem Reklame vorgesetzt wird - so lässt sie sich bei Bedarf anpassen und ihre Effektivität erhöhen.

Unumstritten ist der Ansatz dabei keineswegs. Datenschützer fürchten, dass dabei auch personenbezogene Informationen gesammelt werden könnten, während Werbetreibende und Website-Herausgeber betonen, der Informationsschatz werde rein anonym verwendet. Gesetzliche Regelungen, die das Behavioral Targeting gezielt regulieren würden, existieren derzeit noch nicht, auch wenn sich der US-Kongress derzeit mit dem Thema beschäftigt und Stellungnahmen angefordert hat. Insbesondere demokratische Abgeordnete sehen Handlungsbedarf und haben die zuständige US-Handelsaufsicht FTC aufgefordert, Klartext zu reden und bereits vorhandene freiwillige Regeln verpflichtend zu machen.

Um eventuellen Restriktionen durch den Staat zuvorzukommen, hat das Interactive Advertising Bureau (IAB), in dem Werbetreibende und die größten US-Online-Medienanbieter vertreten sind, nun Vorschläge für einen Verhaltenskodex gemacht, der Behavioral Targeting nach innen regeln und nach außen offener gestalten soll. Bereits unterzeichnet wurde er von Online-Riesen wie Yahoo, Google, AOL und Microsoft. Das Konzept basiert auf drei Säulen: Information, Einverständnis und Aufklärung. So soll jeder Verwender von Behavioral Targeting künftig verpflichtet sein, dem Nutzer deutlich zu machen, welche Daten für diesen Zweck erfasst werden. Außerdem muss ein Mechanismus her, über den sich die Technik abschalten lässt. Zu guter Letzt will man der Kundschaft künftig im eigenen Angebot genau erklären, was Behavioral Targeting ist und wie man sich gegebenenfalls abmelden kann.

Der letzte Punkt ist dabei besonders wichtig: Die wenigsten Kunden wissen, was von ihnen wo gesammelt wird und ob sich die Technik auch abdrehen lässt. Pam Dixon, Exekutivdirektorin des Datenschutzverbandes World Privacy Forum, meint denn auch, die Kunden seien derzeit überfordert und nur ganz wenig machten von der Möglichkeit gebraucht, Behavioral Targeting abzuschalten. Dementsprechend gelten die Vorschläge des IAB zunächst als Fortschritt. Doch es gibt auch Kritik: So fordern Datenschützer, die Technik grundsätzlich vom Einverständnis der Nutzer abhängig zu machen, anstatt sie zunächst einmal standardmäßig einzuschalten. Dieses "Opt In"-Prinzip reduziere Gefahren ganz automatisch.

Problematisch ist außerdem, dass schon die Definition des Begriffes Behavioral Targeting umstritten ist. So betont etwa der Suchmaschinenkonzern Google, dass er die Technik derzeit nicht nutzt. Trotzdem erfasst das Unternehmen eingegebene Suchbegriffen neun Monate lang, bevor die dabei verwendete Internet-Adresse teilanonymisiert wird, und nutzt diese Daten, um spätere Anfragen eines Nutzers zu optimieren. Datenschützer fordern, dass auch diese Informationen stärker geschützt werden sollten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.