Industrieabwässer in Flüssen: Sorge um Fische in Werra und Weser

Fischer an Oberweser und Werra schlagen Alarm. Sie befürchten eine Ökokatastrophe wie im vergangenen Jahr an der Oder. Der Grund: Salzeinleitungen.

Fischer stehen an einem Zusammenfluss zweier Flüsse, im Hintergrund ein Ausflugsdampfer, Sportboote und eine Stadt

Zusammenfluss von Werra und Fulda zur Weser in Hann. Münden Foto: Schöning/imago

GÖTTINGEN taz | Fischer an der Oberweser und an der Werra schlagen Alarm. Sie befürchten ein massenhaftes Fischsterben in den beiden Flüssen. Eine Ökokatastrophe wie im vergangenen Sommer an der Oder sei nicht ausgeschlossen, betonte der Vorsitzende der Fischereigenossenschaft Münden-Weser 1, Ronald Schminke. Die Genossenschaft ist ein Zusammenschluss der Fischereiberechtigten für die Unterläufe von Fulda und Werra sowie für den Oberlauf der Weser.

Neben den hohen Temperaturen und niedrigen Wasserständen in den Flüssen macht Schminke die Einleitung großer Salzmengen für die aus seiner Sicht dramatische Situation verantwortlich. Der in Kassel ansässige Salzproduzent K+S leitet seit Jahrzehnten industrielle Salzabwässer in die Werra. Damit sorge er für enorme Umwelt- und Fischschäden. Insbesondere die Werra, an der mehrere Kalisalzreviere liegen, werde von dem Unternehmen als Abwasserkanal genutzt: „Die giftige Brackwasseralge vermehrt sich bei dem hohem Salzgehalt in einem ohnehin durch die Klimakrise gestressten Gewässer rasant“, so Schminke.

Schuld tragen für ihn aber auch Politik und Verwaltung. Die Einleitungsgenehmigungen würden durch das Regierungspräsidium Kassel erteilt, obwohl europäisches Recht mit der Wasserrahmenrichtlinie eigentlich die Verschlechterung des Wasserzustandes verbiete. Der Genossenschaftsvorsitzende forderte das Regierungspräsidium auf, die akute Gefahr für Fische, Muscheln und andere Lebewesen abzuwenden und die Genehmigung weiterer Einleitungen salzhaltiger Industrieabwässer durch K+S umgehend zu stoppen.

„Einleitungen sind Ländersache“, betonte Schminke, der früher für die SPD im niedersächsischen Landtag saß. Es sei „höchste Zeit, dass die zuständige hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) das unglaubliche Leid der Fische und die Billigentsorgung der Salzabwässer durch K+S beendet. Es ist eine bodenlose Sauerei, in welcher Weise sich die Politik durch die Androhung von Arbeitsplatzverlusten zu gefügigen Stiefelleckern der Großindustrie macht.“

K+S widerspricht Fischereigenossenschaft

Dabei gebe es seit vielen Jahren zumutbare und verfügbare technische Entsorgungsmöglichkeiten, die man dem Kaliproduzenten auferlegen könne, sagte Schminke. „Wir werden als Fischereigenossenschaft die Schädigung unseres Fischbestandes nicht ohne Widerstand hinnehmen und rechtliche Möglichkeiten ausloten.“

Abraumhalde beim Kalibergbau

Von hier kommt das Salz in die Werra: Abraumhalde beim Kalibergbau an der hessisch-thüringischen Grenze Foto: imago

K+S widerspricht der Bewertung durch die Fischereigenossenschaft. Die Einleitmenge von Salzabfällen sei abhängig vom Durchfluss in der Werra und den – nach Ansicht von Kritikern viel zu hohen – Grenzwerten, betont Unternehmenssprecher Michael Wudonig. Bei niedrigem Wasserstand der Werra würden entsprechend weniger Salzwässer in den Fluss eingeleitet. Die Salzbelastung im Gewässer sei damit immer konstant, „so hält K+S die Grenzwerte stets ein“.

Für das Jahr 2023 ist ein Chlorid-Grenzwert in der Werra am Pegel Gerstungen in Höhe von 1.820 Milligramm pro Liter festgelegt. In den Jahren 2024 bis 2027 soll dieser Wert laut K+S auf 1.700 Milligramm sinken. Überdies sei bereits zugesagt, dass ab 2028 keine Produktionswässer mehr in die Werra eingeleitet werden, sondern nur noch das geringer konzentrierte Haldenwasser.

Dass es in Werra und Weser zu einem vergleichbaren Fischsterben wie an der Oder kommen kann, glaubt Wudonig nicht. Die Kombination mehrerer Faktoren, die Ursache für das Algenwachstum in der Oder war, sei in der Werra nicht gegeben. So sei in den vergangenen Jahrzehnten in der Werra eine extreme Algenblüte mit Bildung von Algengiften selbst in trockenen Sommern, bei hohen Temperaturen, Niedrigwasser und hoher Sonneneinstrahlung nie beobachtet worden.

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