Indymedia-Link bei Radio Dreyeckland: Strafbares Denkmal

Redakteur Fabian Kienert muss vor Gericht, weil er einen Link zur verbotenen Plattform linksunten.indymedia setzte. So begründet es das Gericht.

Rote Luftballons in Herzform und ein weißes Fähnchen auf dem indymedia.linksunten-de.bleibt zu lesen ist

Protest gegen das Verbot der linksradikalen Plattform Indymedia in Frankfurt am 28. Oktober 2017 Foto: Tim Wagner/imago

FREIBURG taz | Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hält eine Verurteilung von RDL-Redakteur Fabian Kienert für „wahrscheinlich“ und hat deshalb die Anklage gegen ihn wegen Unterstützung einer verbotenen Vereinigung zugelassen. Der taz liegt jetzt der 18-seitige OLG-Beschluss vor.

Kienert hatte auf der Homepage des Freiburger Alternativsenders Radio Dreyeckland (RDL) im Juli 2022 einen Artikel veröffentlicht, in dem es um die seit 2017 verbotene linksradikale Plattform linksunten.indymedia ging. Der Text endet mit dem lapidaren Satz: „Im Internet findet sich linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Dabei war die Archivseite auch verlinkt.

Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe erhob wegen dieses Links Anklage gegen Kienert. Er habe durch den Link die Fortführung einer verbotenen Vereinigung unterstützt, was laut Paragraf 85 des Strafgesetzbuches strafbar ist.

Mitte Mai dieses Jahres hatte das Landgericht Karlsruhe die Zulassung der Anklage jedoch abgelehnt, denn es liege keine Straftat vor. Es sei nicht belegt, dass linksunten.indymedia fortbestehe und aktiv sei. Außerdem habe Kienert nur kritisch über das Verbot berichtet, aber die Vereinigung nicht in strafbarer Weise unterstützt.

„Verlängerung der Internetseite“

Beides sah das OLG nun ganz anders. Die verbotene Vereinigung bestehe noch fort. Im April 2020 habe sie sich betätigt, indem sie das Archiv der Webseite auf der Domain hochgeladen hat. Diese Information über die frühere Vereinstätigkeit habe wie ein Denkmal eine „Dauerwirkung“.

Es sei wahrscheinlich, dass die illegale Gruppe ihre Aktivitäten derzeit nur aus taktischen Gründen eingestellt habe, so das OLG. Für den Willen zur Fortführung spreche, dass die fünf Freiburger:innen, denen der Verbotsbescheid einst zugestellt wurde, seitdem gegen das Verbot klagen.

Der von Kienert gesetzte Link unterstützte die Vereinigung, weil er die Le­se­r:in­nen zur Webseite des Vereins lenke. Dies sei nicht von der Pressefreiheit gedeckt, weil es Kienert dabei nicht um Information, sondern um Propaganda für die verbotene Vereinigung gehe. Der Artikel wirke als Ermunterung, sich mit der Vereinigung zu solidarisieren, und erscheine geradezu als Verlängerung der Internetseite von linksunten.indymedia.

Mit diesem Appellcharakter unterscheide sich der RDL-Artikel grundlegend von anderen Berichten, die ebenfalls einen Link auf das Archiv enthalten, so die Richter:innen. Als Beispiel für eine zulässige Verlinkung verweist das OLG auf einen taz-Artikel vom 21. März 2023, der „sachlich über das Gesamtgeschehen und die Standpunkte der Kritiker der Verbotsverfügung informiert“. Dort sei der Link eine neutrale Information über die Existenz des Archivs, die es den Le­se­r:in­nen „zwar leicht macht, sich über dessen Inhalt zu informieren, die aber keinen Aufforderungscharakter“ habe.

RDL veröffentlichte als Reaktion auf die Zulassung der Anklage an diesem Mittwoch ein Interview mit dem Berliner Anwalt David Werdermann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die RDL in diesem Verfahren unterstützt: „Es ist mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar, wenn Medien nicht kritisch über ein Vereinsverbot berichten können, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, sie unterstützten damit den verbotenen Verein“, so Werdermann.

Im nächsten Schritt wird das Landgericht Karlsruhe in einigen Wochen über die Anklage gegen Kienert verhandeln.

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