Initiative BaumEntscheid: Mein Freund, das Denkmal

Ein „BaumEntscheid“ soll dem Senat Beine machen – und garantieren, dass die Stadt auch im Klimawandel lebenswert bleibt.

Baumstamm, der einem Gesicht ähnelt

Macht ne Menge durch: der Berliner Straßenbaum Foto: Wolfram Steinberg/dpa

BERLIN taz | „Baumpower“, „Blätterneutralität“, „Berlin wetterfest machen“ – bei so viel Assoziativkraft kann einer nicht weit sein: Heinrich Strößenreuther, NGO-Gründer und Initiator des Berliner Rad-Entscheids, ist zurück und hat ein neues Volksgesetz im Ärmel. Diesmal geht es um die Klimaresilienz der Stadt, und weil Bäume einen großen Anteil daran haben werden, heißt der neue auch so: BaumEntscheid Berlin.

Strößenreuther, dessen CDU-Eintritt vor zwei Jahren in der Mobilitäts- und Klimaschutz-Community nicht so gut ankam, ist dabei nicht allein: Die Auftakt-Pressekonferenz am Mittwoch bestritt er mit der Deutschland-Chefin der grünen Suchmaschine Ecosia, Génica Schäfgen, und dem Geschäftsführer der Klimaschutz-NGO GermanZero, Julian Zuber. Zusammen stellten sie ein Maßnahmenpaket vor, das weit über den Schutz von Bäumen hinausgeht.

Im vergangenen Jahr sei er in die Europacity am Hautbahnhof gezogen, erzählt Strößenreuther – die an der Heidestraße neu errichtete Betonwüste, in der „gefühlt zehn Bäume“ stünden. Viele Jungbäume seien der Trockenheit schon wieder zum Opfer gefallen, und als er einmal vor einem älteren und größeren Exemplar stand, habe er gedacht: „Wenn der gefällt wird, fällt seine gesamte Baumpower weg.“ Einen ausgewachsenen Baum mit einer Neupflanzung auszugleichen, haue nicht hin – es brauche „Blätterneutralität“, also dasselbe Volumen, um die Luft zu verbessern und für Kühlung zu sorgen.

Zusammen mit seinen MitstreiterInnen habe man nun die Idee des Radentscheids aufgegriffen, der 2016 schon bei der ersten Unterschriftensammlung so einschlug, dass der kurz darauf gewählte rot-rot-grüne Senat sich die Forderungen zu eigen machte und das Mobilitätsgesetz geboren wurde. Beim BaumEntscheid soll es nun darum gehen, „Berlin kühl und gesund zu erhalten“ und „unterlassenem Klimaschutz vorzubauen“, wie es in einer Pressemitteilung heißt – oder eben: „Berlin wetterfest zu machen“.

Alle 50 Meter ein Baum

Bei den 15 am Mittwoch vorgelegten Punkten, die die BerlinerInnen zum Gesetz machen sollen, handele es sich um einen ersten Aufschlag, der jetzt ausgearbeitet werden müsse, betonen alle Beteiligten. Die Ideen sind teilweise radikal: So soll nicht nur die Zahl der Baum-Neupflanzungen festgelegt werden, es soll auch allen BerlinerInnen garantiert werden, dass sie im Umkreis von 50 Metern einen Baum und in einem Radius von 800 Metern eine Grünfläche auffinden. Alte Bäume ab einem bestimmten Durchmesser, aber auch Grünflächen, Kleingärten und Friedhöfe sollen Denkmalschutzstatus erhalten.

Eine Fällgenehmigung soll es nach dem Willen der InitiatorInnen nur noch geben, wenn „in gleichem Grünvolumen im Umkreis von 50 Metern zu Lasten des Vorhabenträgers Bäume gepflanzt wurden, ordnungsgemäß gepflegt und bewässert wurden, sicher angewachsen sind und gesund wachsen“. Ausnahmen gäbe es nur für Sozialwohnungen. Angesichts der Tatsache, dass das Anwachsen eines Jungbaums erst nach mehreren Jahren sichergestellt ist, liegt Heinrich Strößenreuther sicher nicht falsch, wenn er sagt: „Widerstand wird es am ehesten von der Immobilienwirtschaft geben.“

Was noch? Die Nettoneuversiegelung des Bodens soll in der Innenstadt schon 2025 und darüber hinaus 2028 beendet sein – sprich: Ab dann dürfte nur noch auf Freiflächen gebaut werden, wenn gleichzeitig im selben Maße entsiegelt wird. Es soll sogar nur noch dann Baugenehmigungen geben, wenn in einem bestimmten Umkreis „in gleicher Menge Fläche entsiegelt und renaturiert wird“. Per Gesetz würden „Zieltemperaturen“ und Luftqualitäten gesichert, Feuerwehr und Polizei bekämen mehr Mittel für die Bewältigung von Extremwetter, es gäbe Wasser-Rationierungspläne für Dürren und einen Extremwetterfonds. Die Liste ist deutlich länger.

„Unheimlich greifbar“

Génica Schäfgen findet, dass das Thema des BaumEntscheids – im Gegensatz zum gescheiterten „Berlin 2030 klimaneutral“ – „unheimlich greifbar“ ist. Dass das sehr viel Geld kostet, wissen alle Beteiligten, aber, so Schäfgen: „Man muss auch die Rechnung aufmachen, was Versiegelung und Nichthandeln kosten.“ Heinrich Strößenreuther verweist auf die Milliarden, die derzeit in Autobahn- und U-Bahn-Bau fließen, und setzt noch ein Bonmot drauf: „Es gibt keine Chance, nicht zu handeln.“

War es beim Radentscheid der ADFC, den man erst später ins Boot holte, sollen nun die Umweltverbände und Klimaschutzgruppen eingesammelt werden. „Die Bündnisarbeit forcieren“, heißt das im Maßnahmenpapier. Vom BUND und dem Nabu kommen positive Signale: „Wenn unterschiedliche Leute an verschiedenen Orten auf dieselben Ideen kommen, zeigt das, dass es in die richtige Richtung geht“, so BUND-Baumexperte Christian Hönig zur taz. Allerdings haben der BUND und andere Verbände schon seit einiger Zeit einen eigenen Volksentscheid zur Grünflächensicherung angekündigt.

Bis Ostern will die Initiative einen Gesetzentwurf schmieden und dann die Unterschriftensammlung zur Zulassung eines Volksbegehrens starten. Sollte Schwarz-Rot das nicht aufgreifen, rechne man mit einer Abstimmung zur Bundestagswahl 2025. Den Prozess im Prüfverfahren zu verzögern, rate er den Senatorinnen Spranger (Inneres), Giffey (Wirtschaft) und Schreiner (Umwelt) nicht, so Strößenreuther: Dann werde 2026 zur Abgeordnetenhauswahl abgestimmt – mit dem entsprechenden Mobilisierungpotenzial.

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